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Lateinamerikas schwule Priester

Astrid Prange6. Oktober 2015

Zwischen Faszination und Verzweiflung: In Lateinamerika outen sich immer wieder homosexuelle Priester. Sie hoffen darauf, dass Latino-Papst Franziskus endlich das kirchliche Tabuthema angeht.

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Blick von oben in eine Basilika beim Besuch von Papst Franziskus (Foto: REUTERS/ Stefano Rellandini)
Bild: Reuters

"Es sind viele. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viele homosexuelle Priester es in der Kirche gibt", sagte Roberto Francisco Daniel in einem Interview mit der brasilianischen Tageszeitung "Tribuna da Bahia": "Mein Eindruck ist, dass ein großer Teil von ihnen die Homosexualität unter der Soutane versteckt."

Der brasilianische Geistliche Roberto Francisco Daniel wollte sich nicht mehr verstecken. Der ehemalige Priester, in der Stadt Bauru als "Padre Beto" bekannt, wurde nach seinem Outing als Schwuler im April 2013 exkommuniziert. Sein Einsatz für homosexuelle Paare innerhalb und außerhalb der Kirche wurde dem 49-Jährigen beruflich zum Verhängnis.

Der Abgang des brasilianischen Priesters war nicht so spektakulär wie das Outing seines polnischen Glaubensbruders Krzysztof Olaf Charamsa. Dieser hatte unmittelbar vor dem Beginn der Familiensynode in Rom vor der Presse erklärt, der Klerus sei "überwiegend homosexuell und traurigerweise auch homophob". Er wurde daraufhin von seinen Ämtern in der Glaubenskongregation und der Internationalen Theologenkommission des Vatikans suspendiert.

"Verbotene Wahrheiten"

Doch beide Priester fühlen sich ihrer Kirche weiterhin verbunden und wollen sie verändern. Roberto Francisco Daniel erklärt, warum die katholische Kirche anscheinend auf viele homosexuelle Geistliche eine besondere Anziehung ausübt. "Verbotene Wahrheiten" heißt das Buch, das er nach seiner Entlassung über Tabuthemen in der Kirche geschrieben hat.

Zwei Männer küssen sich (Foto: EPA/Cezaro De Luca, dpa)
Argentinien war 2010 das erste Land in Lateinamerika, das die Homo-Ehe legalisierteBild: picture-alliance/dpa

"Als Priester gibt es keinen Druck zu heiraten oder sexuell aktiv zu sein, es gilt ja das Zölibat", schreibt er. "Für die Kirche ist das eine schreckliche Situation, denn sie bildet so auch Pfarrer ohne Berufung aus. Und diejenigen, die sich berufen fühlen, trauen sich nicht, den Mund in eigener Sache aufzumachen."

Bereits im November 2010 hatte in Kolumbien ein hochrangiger Würdenträger der katholischen Kirche ein Aufsehen erregendes Buch zum Thema herausgegeben. Unter dem Titel "Hacia un clero gay" ("Auf dem Weg zum homosexuellen Klerus") beschreibt Germán Robledo Ángel, ehemaliger Vorsitzender des regionalen Kirchentribunals von Cali, die sexuellen Skandale des Klerus in der Region.

Jede dritte Priester ist schwul

"Die Kirche ist ein Quartier für Frauenfeinde und ein Kabinett für Homosexuelle", lautet eine Erkenntnis des emeritierten Priesters Ángel. In der Erzdiözese von Cali seien rund 30 Prozent des Klerus homosexuell veranlagt.

Doch was 2010 laut Ángel noch wie eine "Bombe" wirkte, erregt mittlerweile deutlich weniger Aufsehen: Mit der zunehmenden Gleichstellung der Homo-Ehe in Lateinamerika ist das Thema Homosexualität auch in der Kirche angekommen. In Argentinien, dem Heimatland des Papstes, wurde die Homo-Ehe erstmals in Lateinamerika legalisiert.

Homosexuelle Laien und Priester warten allerdings noch vergeblich auf ein Signal aus dem Vatikan. "Wer bin ich, um über Homosexuelle zu richten?" - die revolutionäre Frage, die Papst Franziskus während des Weltjugendtages 2013 in Rio de Janeiro stellte, blieb kirchenrechtlich bisher ohne Antwort.

Papst Franziskus steht betend vor einem Kreuz (Foto: Vincenzo Pinto/AFP/Getty Images)
"Wer bin ich, um über Homosexuelle zu richten?" - Dieser Satz des Papstes machte schwulen Priestern HoffnungBild: Getty Images/AFP/V. Pinto

Bleibt es also bei dem katholischen Grundsatz , wonach in Rom unfehlbare und endgültige Entscheidungen getroffen werden? Der ehemalige "Padre Beto" will nicht aufgeben: "In einer Kirche, in der Homosexuelle als Priester anerkannt würden, wehte ein frischer Wind. Das Klima wäre gesünder."

Ohne kirchlichen Segen

Sein Kollege Fabio de Melo scheint gerade auszuloten, wie weit die ersehnte Offenheit in der Praxis geht. Der brasilianische Priester und Sänger, dem bei Twitter über eine Millionen Menschen folgen, ließ es sich zu Beginn des Jahres nicht nehmen, die Homo-Ehe öffentlich zu verteidigen.

"Die zivile Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern ist keine religiöse Frage. Die Frage ginge uns nur etwas an, wenn diese uns um die religiöse und sakramentale Anerkennung ihres Ehebundes bäten", schrieb Melo in seinem Twitter-Account.

Seine Anhänger feierten Melo für die klare Stellungnahme im Netz. Schließlich war sein Glaubensbruder "Padre Beto" ein Jahr zuvor für sein Plädoyer zu Gunsten der Homo-Ehe von seinem Priesteramt suspendiert worden. Eine Nutzerin fragt nach: "An welchem Tag wird Fabio de Melo verkünden, dass er schwul ist?"