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Exzellent aufgestellt

Das Gespräch führte Karl Zawadzky20. September 2008

Das Wachstum der deutschen Chemieindustrie hat sich im zweiten Quartal deutlich abgeflacht. Im Gespräch mit DW-WORLD.DE äußert sich Dr. Axel Heitmann, Vorstandsvorsitzender der LANXESS AG, zur Lage seines Unternehmens.

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Porträt Dr. Axel Heitmann (DPA)
Axel Heitmann ist seit 2004 Vorstandsvorsitzender des Spezialchemie-Konzerns LANXESS AGBild: picture-alliance/ dpa

DW-WORLD.DE:

Herr Dr. Heitmann, die Weltkonjunktur gerät in schwieriges Fahrwasser. Dem wird sich die Chemieindustrie nicht entziehen können. (siehe Link: Die chemische Industrie in Deutschland) Ist LANXESS als relativ junges Unternehmen für schwierige Zeiten gerüstet?

Axel Heitmann:

Wir fühlen uns exzellent aufgestellt. Wir haben die vergangen drei Jahre genutzt, um unseren weltweiten Anlagenpark wettbewerbsfähig zu machen. Wir haben Kosten reduziert, wir haben unsere Prozesse verbessert. Wir haben uns zusätzlich konzentriert auf das, was wir am besten können. Wir haben ein Viertel unseres Umsatzes abgegeben und haben uns damit fokussiert auf die Spezialchemie. In diesen Bereichen haben wir führende Positionen in den Weltmärkten erreicht. Das ist eine gute Ausgangsbasis angesichts der großen Volatilität, die wir derzeit in den Märkten erleben. Wir haben darüber hinaus unseren Footprint, unser Engagement in Asien, auch in Brasilien, also in den BRIC-Staaten, deutlich erweitert. Damit können wir mit unseren Spezialchemieprodukten, mit unseren wettbewerbsfähigen Anlagen regionale Unterschiede sehr gut ausgleichen. Also, eine nachlassende Konjunktur zum Beispiel in den amerikanischen Staaten können wir ohne weiteres ausgleichen mit dem stürmischen Wachstum in Asien.

LANXESS beliefert als Unternehmender Spezialchemie nicht den Endverbraucher, sondern die Industrie. In welchen Produkten befinden sich Zulieferungen von LANXESS?

Mitarbeiter von LANXESS
LANXESS ist Deutschlands größter börsennotierter Spezialchemie-KonzernBild: LANXESS

Wir sind zum Beispiel die Nummer Eins, was die Reifenindustrie betrifft. Wir beliefern mit unseren Hochleistungselastomeren alle führenden Reifenhersteller der Welt. Mit unseren Technologien, mit unseren neuen Reifenprodukten können die Reifenhersteller die nächste Generation von Autoreifen herstellen. Das ist ganz wichtig und wird immer wichtiger, hier neue Produkte einzuführen, denn der Reifen selbst ist ja für einen wesentlichen Anteil des Kraftstoffverbrauches des Autos verantwortlich. Und mit unseren Produkten kann der Autofahrer mit den modernen Reifen wesentlich Kraftstoff sparen und kann damit übrigens auch seine CO2-Emissionen deutlich reduzieren.

Macht nicht die starke Stellung bei den Zulieferern an die Hersteller von Autoreifen anfällig für den Abschwung der Autokonjunktur?

Wir sind ja mit einer ganzen Reihe von Produkten in der Automobilindustrie unterwegs. Ich möchte aber weitergehen. Wir unterstützen mit unseren Produkten Mobilität, also nicht nur den Neuwagenkauf, sondern Mobilität als Ganzes. Lassen Sie mich ein konkretes Beispiel geben: Mit unseren Produkten für den modernen Reifen sind wir sowohl im Erstausrüstungsgeschäft, also im Neuwagenabsatz vertreten, aber auch im so genannten Replacementmarket. Also: Wenn die Reifen getauscht werden müssen, sind wir auch im Ersatzreifengeschäft vertreten. Dieser Markt wird wesentlich von der immer weiter steigenden Mobilität getrieben. Aber wir sind auch in anderen Anwendungen unterwegs in der Automobilindustrie; hier geht es um Gewichtsreduktion. Mit unseren modernen Kunststoffen sind wir in der Lage, im Automobilbau Metall zu substituieren. Wir haben hier eine so genannte Hybridtechnologie entwickelt. Wir können Metall und Kunststoff kombinieren. Damit sind moderne Autos heute deutlich leichter. Wir erzielen aber nicht nur eine Gewichtsreduktion, sondern gleichzeitig wird zum Beispiel das Crashverhalten deutlich verbessert. Diese wichtigen Trends werden durch uns ermöglicht. Ich bin zuversichtlich, dass diese neuen Anwendungen immer wichtiger werden, so dass ein eventueller Rückgang der Neuwagenproduktion überkompensiert wird durch den immer stärker steigenden Einsatz unserer Produkte bei der Gewichtsreduktion.

Es gibt weltweite Megatrends, nämlich die wachsende Bedeutung der Nahrungsmittelerzeugung für die zunehmende Weltbevölkerung, den Umweltschutz, die Energieeinsparung, die Versorgung der Weltbevölkerung mit sauberem Trinkwasser. Nutzen Sie die damit verbundenen wirtschaftlichen Chancen für Ihr Unternehmen?

Für all diese Trends, die Sie gerade angesprochen haben, haben wir ganz wichtige Lösungen entwickelt. Wir haben zum Beispiel Produkte entwickelt, die wichtig sind für die Wasseraufbereitung. Wir leisten mit unseren modernen Produkten für die Automobil- und für die Reifenindustrie Beiträge, um den Kraftstoffverbrauch deutlich zu reduzieren und damit auch die CO2-Emissionen zu verringern. Mit unseren Produkten im Bereich der Agrochemie leisten wir wichtige Beiträge, um die Ernährung der Weltbevölkerung sicherzustellen. Wir erleben ja zurzeit eine starke Nachfrage nach Agrochemikalien, die getrieben ist aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung, die ja ernährt werden muss auf der gleichen landwirtschaftlichen Fläche. Wir haben ja keine Flächenvermehrung. Zusätzlich aber erleben wir einen Trend, dass immer mehr Menschen zum Beispiel Fleisch nachfragen. Damit entsteht ein zusätzlicher Bedarf an Pflanzenproduktion. Die Pflanzenproduktion wird zusätzlich getrieben von einem weiteren neuen Trend aufgrund der Biokraftstoffe. Es ist also wichtig, auf allen in diesen Gebieten tätig zu sein. Wir sehen das als eine große Chance für uns.

Seit der vor drei Jahren erfolgten Abspaltung vom Bayer-Konzern hat das Unternehmen LANXESS sich vor allem in den Schwellenländern China, Indien, Brasilien engagiert. Einer der neuen Märkte, dem sie sich nun verstärkt zuwenden wollen, ist Russland. Was haben Sie da vor?

Logos von Bayer und LANXESS
2005 trennte sich Bayer von seiner Chemie-Sparte LANXESSBild: dpa

Wir wollen in allen Wachstumsmärkten unterwegs sein. Wir haben für die großen Wachstumsmärkte ganz gezielte Projekte aufgelegt. Dazu gehört auch die Wachstumsregion Russland. Russland gehört ja zu den vier so genannten BRIC-Countries. Es wird in allen diesen Ländern mit einem verstärkten Wachstum in der Zukunft gerechnet; hier wollen wir dabei sein. Wir haben jetzt in Russland unsere Aktivitäten aufgestellt. Aber nicht nur in Russland, sondern auch in Südosteuropa haben wir eigene Strukturen etabliert. Das sind Keimzellen für weitere Aktivitäten.

Wie verkraften Sie auf der einen Seite die rasante Steigerung der Rohstoffpreise, wie gehen Sie auf der anderen Seite mit dem teuren Euro um?

Beides sind große Herausforderungen für uns. Aber wir haben für beide Herausforderungen Antworten gefunden. Zunächst die Rohstoffe: Wir können mit unseren technologiegetriebenen, mit unseren innovationsgetriebenen Produkten die gestiegenen Einstandspreise in die Märkte weitergeben. Wir haben wertvolle Lösungen und Produkte für unsere Kunden, unsere Kunden sind bereit, die höheren Einstiegskosten zu bezahlen. Denn die Kunden können selbst wiederum große Leistungen mit unseren Produkten erzielen. Es ist uns bisher gelungen, die höheren Einstiegskosten, was Rohstoffe betrifft, vollständig mit dieser Strategie weiterzugeben. Was die Währungsrelation betrifft: Hier sind wir als global tätiges Unternehmen mit hohem Exportanteil natürlich betroffen vom schwachen Dollar. Hier gehen wir mit verschieden Instrumenten vor. Mit so genannten Währungs-Hedges führen wir eine Nivellierung der großen Schwankung herbei. Aber langfristig verfolgen wir einen anderen Ansatz. Wir wollen in den verschiedenen Währungsräumen mit Produktionen vor Ort tätig sein wollen. Das gibt uns dann einen regionalen Vorteil, weil wir von den Wahrungsschwankungen relativ unabhängig sind.

Als LANXESS von Bayer ausgegliedert wurde, war das ein schwerer Start in einem sehr wettbewerbsintensiven Umfeld. Die Welt hatte nicht unbedingt auf LANXESS gewartet. Wo stehen Sie jetzt, wenn Sie sich vergleichen mit anderen international tätigen Chemiekonzernen?

Als wir vor drei Jahren gestartet sind, waren fast drei Viertel unserer Geschäfte sozusagen unter Wasser, in den roten Zahlen. Wir bildeten, was die Profitabilität betrifft, das Schlusslicht im Wettbewerbsvergleich. Heute, nach einem intensiven Umbauprozess, sind wir bereits auf Wachstumskurs. Wir können Profitabilitätsmargen ausweisen, die bereits zum oberen Bereich unserer Wettbewerbsgruppe gehören. Das Unternehmen hat sich vollständig verändert, es hat eine vollständig andere Aufstellung. Wir können uns heute mit allen großen Wettbewerbern der Welt messen.

Seit etwa einem Jahr steht die LANXESS-Aktie unter Druck. Haben Sie Sorgen, zum Schnäppchenpreis ein Übernahmekandidat zu werden?

Wir konnten uns gegenüber der Erstnotierung deutlich verbessern und sind heute auch noch deutlich über unserer Erstnotierung. Wichtig ist für mich, dass wir uns besser entwickeln als die wesentlichen Wettbewerber, als unsere Vergleichsgruppe. Das ist der Fall.