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Langfristige Folgen im Fall Chodorkowski befürchtet

Stefan Dege 5. November 2003

Die Verhaftung von Michail Chodorkowski und die Beschlagnahme seiner Yukos-Aktien könnten Russlands Wirtschaft langfristig erschüttern. Besonders im Ausland mehren sich Sorgen um das Investitionsklima in Russland.

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Neuer Jukos-Chef Simon KukesBild: AP

Die Vorgänge in Russland treiben Politikern wie Managern im Westen Sorgenfalten auf die Stirn. Möglicherweise, so spekuliert Katinka Barysch vom Londoner Centre for Economic Research, war es Ziel der Verhaftungsaktion, eine Liaison zwischen Yukos und westlichen Öl-Multis zu torpedieren. Und in der Tat: Mit der Verhaftung des Multi-Milliardärs liegt das größte westliche Investitionsvorhaben auf Eis: Marktführer Exxon wollte sich bei Yukos Oil einkaufen, deren Vorstandschef Chodorkowski war.

Befürchtungen

Yukos Vorstandschef Michail Chodorkowski vor Gericht in Moskau
Yukos Vorstandschef Michail Chodorkowski vor Gericht in MoskauBild: AP

Angst macht die Runde, es könne zu einer Wiederverstaatlichung des größten russischen Öl-Konzerns kommen, der Mitte der Neunziger Jahre zum Schleuderpreis privatisiert worden war. Dafne Ter-Sakarian, leitende Russland-Analystin beim britischen Forschungsinstitut "Economist Intelligence Unit", warnt denn auch vor der abschreckenden Wirkung auf ausländische Investitionen. Wenngleich Ausländer sich außerhalb des Öl-Sektors bisher kaum engagieren.

Die deutsche Wirtschaft zeigt sich vom Vorgehen der russischen Strafverfolger gegen den Ölkonzern Yukos vorerst weitgehend unbeeindruckt. Die Unternehmen glaubten nicht an eine Rücknahme der Privatisierungen in Russland, so Oliver Wieck, Vorsitzender des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft. "Dass das ausländische Investoren nicht gerade dazu ermuntert, in den russischen Markt hineinzugehen, ist selbstverständlich", sagt aber auch er. "Was künftige Engagements angeht, da wird man sehr kritisch die Lage und die und die weitere Entwicklung abwarten."

Unter Beobachtung

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) verfolgt die Entwicklung nach den Worten eines Sprechers "sehr genau", heißt es dort. Im Bankensektor möchte man von Befürchtungen aufgrund des Falls Chodorkowskij nicht reden. Vielmehr spricht der Russland-Experte einer deutschen Großbank von einem "Sturm im Wasserglas". Und während der Schock über Chodorkowskis Festnahme und die Erschütterungen an den Aktienmärkten noch anhält, steigt die Deutsche Bank mit 40 Prozent bei der russischen Investmentbank United Financial Group (UFG) ein. Die Deutschbanker greifen damit nach dem bisher schon größten und wachstumsträchtigsten Markt für Finanzdienstleistungen in Osteuropa.

Gelassen gibt man sich auch beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Trotz der Vorfälle um den russischen Ölkonzern Yukos sehe er kein Signal für eine Abkehr Russlands von einer marktwirtschaftlich ausgerichteten Wirtschaftspolitik, lautete der Kommentar von IWF-Direktor Horst Köhler. Und auch Peter W. Schulz, Russlandexperte bei der Friedrich-Ebert-Stiftung, sieht wenig Anzeichen für einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel Präsident Putins. "Putin ist ein überzeugter Westler", sagt Schulz. "Er weiß ganz genau, er braucht ein ruhiges Umfeld, um die Investitionen für die Infrastruktur-Verbesserungen inklusive der Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastrukturen, sprich: Pipeline-Bau, und andere Infrastrukturen im Eisenbahnbereich, aber auch Modernisierung im Luftfahrt und ähnliches. Das kann nicht durch das heimische Kapital gewährleistet werden."

Deutsche Interessen

Weniger ruhig reagiert der frühere Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorf. Er sieht deutsche Wirtschaftsinteressen in Gefahr. Und mit Blick auf den EU-Russland-Gipfel an diesem Donnerstag (6.11.2003) in Rom mahnt die Europäische Kommission Russlands Präsident Putin, die Rechtsstaatlichkeit in seinem Land sicherzustellen. Sonst werde das die Einbindung des Landes in den europäischen Wirtschaftsraum aufhalten.