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Musik

Interview Lance Ryan

Hans Christoph von Bock24. Juli 2013

Für den kanadischen Heldentenor Lance Ryan ist Wagners Siegfried eine zweite Haut, in die er jetzt auch in der Neuinszenierung des “Ring“ in Bayreuth wieder schlüpft.

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Sänger Lance Ryan in Bayreuth, Solo und im Interview mit der DW. Foto DW/Hans Christoph von Bock am 11.072013 in Bayreuth.
Bild: DW/H.C. von Bock

DW: In diesem Jahr legen Sie als Siegfried einen wahren Marathon hin und singen die Partie an unterschiedlichen Orten und in ganz unterschiedlichen Inszenierungen. Wie behalten sie da den Überblick?

Lance Ryan: Ja, im Wagner-Jubiläumsjahr gibt es fünf verschiedene Inszenierungen des “Ring“. Das ist wirklich etwas Einzigartiges. Ich glaube so eine Häufung hat es noch nie gegeben und werden wir nie wieder erleben. Dabei hat natürlich jede Inszenierung ihre Besonderheiten. Die Rolle bleibt zwar immer die gleiche, aber als Sänger versucht man natürlich das jeweils Besondere herauszuarbeiten.

Können Sie sich noch an Ihren ersten Siegfried erinnern? Oder an Ihre erste Begegnung mit Wagner?

Meine erste Wagner-Rolle war Siegmund, aber kurz danach hab ich schon den Siegfried gesungen. Und hier in Bayreuth ist es jetzt schon das elfte Mal mit Siegfried! Aber es gibt immer noch neue Aspekte, spezielle Elemente, die ich in meine Interpretation der Figur hineinbringe.

So etwas prägt einen schon. Lebt man über die Jahre auch mit der Rolle?

Ja, das ist wirklich ein bisschen so. Für die Leute ist das oft schon ein Synonym: Siegfried ist Lance Ryan, Lance Ryan ist Siegfried. Aber auch ich verbinde verschiedene Momente meines Lebens ganz klar mit einzelnen Produktionen. Und so wie ich mich als Mensch entwickle, so entwickelt sich auch “mein“ Siegfried. Für mich ist es ganz klar, dass man sich auch in verschiedensten Inszenierungen mit so einer Rolle identifiziert und mit ihr leidet.

Sie sind jetzt schon zum elften Mal in Bayreuth. Was ist für Sie das Besondere an diesem Ort?

Wenn ich an Bayreuth denke, habe ich immer Richard Wagners Vision vor Augen: Die Kunst der Zukunft. Ich denke, sie versuchen hier, diese Ideen umzusetzen. Und deshalb hat man hier auch die Möglichkeit, viel nachzudenken. Und man kann sich tatsächlich voll auf die Kunst konzentrieren: Was hat Richard Wagner eigentlich gewollt, was hat er geschrieben, was wollte er eigentlich damit sagen und was bedeutet es für uns als Menschen heutzutage? Die Themen in Wagners Opern sind so reich und sehr grundsätzlich. Sie bieten so viel Stoff zum Nachdenken, menschlich und soziologisch. Und das schätze ich sehr.

Was fasziniert Sie persönlich an der Figur des Siegfried?

Ich denke, obwohl Siegfried eigentlich ein “Böser“ ist, sollte man in ihm doch den “Unschuldigen“ sehen. Er weiß es gar nicht anders, er kann gar nicht anders handeln. Er hat keine Basis: Er weiß nicht, woher er kommt, er kennt seinen Vater und seine Mutter nicht. Er hat keine Liebe kennen gelernt und mit Brünnhildes Liebe weiß er nichts anzufangen. Er ist einfach unwissend und ihm ist viel Unrecht geschehen. Deshalb ist es wichtig, Siegfried als Mensch darzustellen. Als einen Menschen, wie jeden anderen, und nicht als den tollsten Helden der Welt. Als einen Menschen mit Fehlern. Und ich denke, das ist das, was Wagner sagen wollte: Wir alle sind Siegfried.

Das Interview führte Hans Christoph von Bock.