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Lampenfieber berechtigt

Ralf Hoogestraat28. September 2004

Das Kandidatenduell im TV ist im US-Wahlkampf in den letzten Jahrzehnten zu einem Höhepunkt geworden. Die Vorbereitungen für dieses Mattscheibenduell laufen demzufolge auf Hochtouren.

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Ralf Hoogestraat - Washington

Es ist die Ruhe vor dem Kampf. Die Kandidaten sind fast aus der Öffentlichkeit verschwunden und haben sich in ihre Trainingslager zurückgezogen. Dort werden sie von ihren Beratern, Helfern und Freunden betreut. Und am Donnerstag (29.9.04) ist es dann soweit, die Kandidaten steigen in den Ring, zum heftigen Schlagabtausch bis aufs Blut.


Soweit könnte das auch die Beschreibung der Vorbereitungen eines Boxkampfes sein, aber es geht um den bisherigen Höhepunkt in der amerikanischen Schlacht ums Weiße Haus.

Am Donnerstag wird der interessierte Teil der amerikanischen Fernsehnation gespannt vor dem Bildschirm sitzen und dem Rede-Duell von Präsident George W. Bush und Herausforderer John Kerry zuschauen. Die gut 40 Prozent der Amerikaner, die tatsächlich wählen gehen, nehmen diese Duelle ziemlich ernst. Sie können wahlentscheidend sein.

Historische Vorbilder

John F. Kennedy und Richard Nixon starteten die Tradition vor 44 Jahren. Nixon hatte die Macht des Fernsehens unterschätzt, er war schlecht rasiert, schwitzte im heißen Scheinwerferlicht und wirkte nervös. Kennedy dagegen war entspannt, charmant und gewann die Wahl.

Über die Jahrzehnte wurden die Fernsehduelle immer wichtiger. Bill Clinton drängte Vater Bush 1992 in die Ecke, der Senior der Bush-Dynastie schaute immer wieder nervös auf die Uhr in der Hoffnung, dass die Qual bald vorbei sein würde. Ein paar Wochen später war die Qual tatsächlich vorbei und Clinton zog ins Weiße Haus ein.

Als Al Gore dann in den Fernsehschlachten gegen Bush Sohn antrat wusste er viel und war redegewandt, aber er wirkte wie ein Oberlehrer. Bush Sohn dagegen kam rüber wie ein Mann aus dem Volk. Oberlehrer werden nur ungern ins Weiße Haus gewählt. Bush Junior gewann die Wahl, obwohl nicht wenige Amerikaner angesichts des knappen Ergebnis noch immer bestreiten.

Ende offen

Und jetzt muss Bush Junior wieder in den Ring steigen. Ein großer Redner ist er nicht, sein Kampf mit der englischen Sprache versorgt die Komiker mit immer neuer Munition, aber seine einfache Art kommt beim amerikanischen Wähler an.

John Kerry hatte als Senator viel Training in der Redekunst, aber das könnte die Wähler abschrecken.

Deswegen trainieren beide schon seit Wochen in jeder freien Minute. Bush hat seine Ranch in Texas jüngst in ein Trainings-Camp verwandelt. Senator Judd Gregg, ein Republikaner aus New Hampshire, dient als Sparrings-Partner. Jede mögliche Frage, Wendung, Finte oder Falle von John Kerry wurde durchgespielt - und Bush ist fit, sagen seine Trainer. Aber vorsichtshalber soll die nächsten Tage noch ein bisschen geübt werden.

John Kerry hatte sich für den gleichen Zweck am Wochenende ein paar Blockhütten in Wisconsin gemietet.

Aber wer jetzt glaubt, dass diese Rede-Duelle im Freistil vorgetragen werden, der irrt. Alles ist vorher von den beiden Lagern bis ins kleinste Detail ausgehandelt worden. Die Höhe des Podiums, die Entfernung der Kandidaten von einander, wer der Moderator ist, wer die Fragen wie und wann stellen darf.

Und natürlich wurde auch die Raumtemperatur festgelegt. Wäre doch dumm wenn ein Kandidat plötzlich schwitzen oder zittern würde. Der Wähler könnte das ja glatt als Furcht auslegen und das wäre für den Kandidaten eine Katastrophe.