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"Lady Liberty" greift nach der Luftgitarren-Krone

Christoph Trost/ Niko Fischer26. August 2015

Musik aus der Luft gegriffen: Vom 26.-28.08. steigt im finnischen Oulu die Air Guitar World Championship. Zum zweiten Mal nacheinander wird dort für Deutschland "Lady Liberty" an den Start gehen.

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Lady Liberty bei der Weltmeisterschaft 2014 in Oulu (Foto: EPA/KIMMO BRANDT FINLAND OUT)
Lady Liberty bei der Weltmeisterschaft 2014 in OuluBild: picture-alliance/EPA/K. Brandt

Ihr Weg nach Finnland führte über Koblenz: Bevor sich "Lady Liberty" bei der Weltmeisterschaft gegen Konkurrenten aus Belgien, Kanada, Indien und Kasachstan behaupten darf, musste sie sich gegen die deutschen Luftgitarristen durchsetzen. Im Juli hatten die sich zum elften Mal getroffen, um ihre(n) Meister(in) zu küren. In einer kleinen Koblenzer Bar musste "Lady Liberty" alias Sabrina Schramm unter Beweis stellen, dass sie das Spiel auf dem wohl günstigsten Instrument der Welt beherrscht...

Eine ausgeflippte Statue of Liberty

Als Freiheitsstatue verkleidet bezupft "Lady Liberty" ihre imaginäre Gitarre. Sie springt wild herum, wirbelt ihre Haare im Kreis zum Rhythmus, reißt die Luftgitarre in die Höhe, legt sich wie ein Rockstar auf den Boden - die Gitarre über sich gestreckt. Auch auf Luftgitarren kann man verdammt laut Musik spielen.

Diesen Abend wird ein neuer Meister gekürt. Die Luft ist stickig. Doch die Gitarrenspieler lassen sie in harten Gitarren-Riffs leicht erklingen. Die Regeln der Luftgitarren-Meisterschaft sagen klar: "Das Instrument muss aus Luft bestehen, das heißt unsichtbar sein." Immerhin können die Kandidaten zwischen Akustik- oder E-Gitarre wählen.

Die Münchnerin Sabrina Schramm kämpft an diesem Abend mit vier weiteren Kandidaten um die WM-Qualifikation. Alle bearbeiten die Luft zwischen Fingerkuppen ohne Hornhaut und Luft-Plektrum mit Hingabe. Die Juroren, gut eingedeckt mit Cuba Libre, halten nach jeder Performance ihre Kärtchen mit einer Bewertung hoch. Die Regeln sind dem Eiskunstlauf abgeschaut: Es werden zwischen vier und sechs Punkte vergeben. Die Jury schaut vor allem auf Originalität, technische Fähigkeiten und natürlich die "Airness": also die "Luftigkeitstauglichkeit, die Fähigkeit, die Kunstform auf ein hohes Niveau zu transzendieren", wie Organisator und Jury-Mitglied Ralf Prestenbach es selbstironisch ausdrückt.

Die Luftgitarre: in Deutschland "stiefmütterlich behandelt"

Auf der Bühne merkt man Sabrine Schramm ihre Zweifel nich an. Doch noch vor dem Wettbewerb sagte Lady Liberty der DW: "Als Titelverteidigerin kann man fast nur verlieren." Dennoch will sie zur Weltmeisterschaft nach Finnland fahren - auch, wenn sie nicht Meisterin wird. "Die Stimmung ist Wahnsinn dort!" Die 22-jährige Studentin durfte im letzten Jahr bei der Weltmeisterschaft im nordfinnischen Oulu für Deutschland starten.

Luftgitarren-WM in Oulu

In der Bar fließt das Bier in Massen, doch die Menschenmassen bleiben hier fern: Das Meisterschafts-Publikum besteht aus etwa 60 Zuschauern. Der nordrhein-westfälische Meister "Airbreaker", der im wahren Leben Mark Dumont heißt, erklärt das so: "Die Luftgitarre wird in Deutschland ein wenig stiefmütterlich behandelt." In Finnland, den USA oder Russland werde die Luftgitarre ernster genommen. Der US-Meisterschaft gehen 24 Vorauswahl-Veranstaltungen in 19 Bundesstaaten voraus. Einen Dokumentarfilm gibt es auch über das internationale Luftgitarrenspiel. Immerhin befassen sich Medienwissenschaftler mit dem Thema hierzulande: Mathias Mertens von der Universität Hildesheim gibt Seminare zu "Medienästhetischen Überlegungen zur Luftgitarre".

Flash Galerie Air Guitar World Championship
Die Luftgitarristen der Weltmeisterschaft 2014 in FinnlandBild: AGWC

Die Luftgitarren-Szene bewegt sich zwischen Tiger-Strumpfhose und hartem Reglement - zwischen Selbstironie und bitterem "Airnst". Die Musiker werden gern belächelt, das mag auch an ihren Verkleidungen bei Auftritten liegen: "Ohne Bühnenname und Kostüm geht hier gar nichts", stellt der bayrische Landesmeister "Shorty el Tiborrón" (mit richtigem Namen Martin Rüthschilling) klar, während er ein Goldlöckchen seiner Perücke aus dem Bier fischt.

Lady Liberty rockt in Finnland

Die Luft-Rocker treten bei der deutschen Meisterschaft zuerst mit einem eingeübten Stück auf. Dann müssen sie spontan zu einem Song performen, der für alle von der Jury vorgegeben wird. Nach der zweiten Runde steht fest: Es gibt keinen klaren Sieger. "Lady Liberty" und "Airbreaker" haben die gleiche Punktzahl. Zu AC/DCs "It’s a long way to the Top" entscheidet sich: Lady Liberty bleibt deutsche Luftgitarren-Meisterin. Im Freudentaumel überschütten sie ihre Widersacher mit Champagner, sie gönnt sich gleich die drei-Liter Flasche Bier, die sie gewonnen hat, und fällt ihrer Mutter von der Bühne aus in die Arme.

Zum zweiten Mal wird sie nun nach Finnland fahren und gegen Luftgitarristen aus Belgien, Kanada, Indien, Kasachstan und anderen Ländern antreten. Schon im letzten Jahr war "Lady Liberty" nicht nur von der Stimmung bei der Weltmeisterschaft begeistert: Im Sommer 2014 war die Ukraine-Krise in vollem Gange, "und dann spielten plötzlich der ukrainische und der russische Meister zusammen auf der Bühne!"

Infografik Luftgitarren-Weltmeister und Medaillenspiegel (1996-2014)

Seit 1996 wird in Oulu der Weltmeister der Luftgitarre gekürt - ursprünglich war das als Witz gemeint. Laut Webseite der Veranstalter würden "Kriege enden und der Klimawandel aufhören", wenn jeder Mensch Luftgitarre spiele. 2009 wurde die deutsche Aline Westphal Weltmeisterin - als "Devil's Niece" und als erst zweite Frau in der Geschichte der Luftgitarre.

Lady Liberty hat sich für ihren Bühnennamen von einem Amerika-kritischen Lied der US-Punkband Rancid inspirieren lassen. "Eine politische Botschaft gehört immer zur Luftgitarre. Wer Luftgitarre spielt, kann keine Waffe halten", sagt sie der DW. So lautet ein Luftgitarristen-Sprichwort.

Die Hildesheimer Studentin Aline Westphal während der Luftgitarren-WM 2011 (Foto: EPA/KIMMO BRANDT dpa/lni)
Aline Westphal während der Luftgitarren-WM 2011Bild: picture-alliance/dpa

Ihre Mutter sei besonders stolz, verrät sie. Dabei hatte sie zunächst Sorgen um ihre Tochter Sabrina: "Sie ist gerade zu der Zeit geboren, als Freddie Mercury starb. Ich dachte nur: Wie kann etwas aus diesem Mädchen werden, wenn sie den Freddie nie sehen wird?" In Kürze wird sie es wissen: Ab dem 26. August geht "Lady Liberty" in Oulu für Deutschland auf die Jagd nach der Luftgitarren-Krone.