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La jeune cuisine - mehr Spaß in der Küche

16. April 2006

Schluss mit gestärkter Tischwäsche und Kristall - Frankreichs Nachwuchsköche wollen gute Küche mit mehr Spaß. Mit dem Diktat der Sterne, Kochlöffel und Mützen haben sie nichts am Hut.

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Junge Küche in alter Schmiede:<br>L'Auberge de la Charme, PrenoisBild: Châteaux & Hôtels de France

Die in Ehren gehaltene kulinarische Tradition des Landes mit dem alles entscheidenden Diktat der Michelin-Sterne schütteln die Anhänger von Bewegungen wie "Fooding" oder "La jeune cuisine" einfach ab. "Die Geschichte der französischen Küche ist bestimmt wichtig, aber uns interessiert sie nicht", sagt Alexandre Cammas, ein junger Journalist mit wuscheligem Haar, der vor einigen Jahren die "Fooding"-Bewegung gründete. "Kochen soll für jedermann zugänglich sein und Spaß machen", fasst er seine Prinzipien zusammen.

Und so wurde das Wort "Fooding" aus den zwei Begriffen "Food" und "Feeling" zusammengesetzt. Es geht also bei der Einschätzung eines Restaurants nicht nur darum, was dort auf den Tisch kommt, sondern auch darum, wie der Kunde sich fühlt. Auf der "Fooding"-Internetseite können sich Anhänger der Bewegung über 130 Restaurants informieren, die in Kategorien wie "Mahlzeiten und Imbisse", "unglaublich gut" oder "Sehen und gesehen werden" eingeteilt werden.

Gastronomische Happenings

Wichtiger Bestandteil der Bewegung sind gastronomische Happenings, bei denen ein unkonventioneller Umgang mit der Mahlzeit ausprobiert werden kann: Ein Picknick im Museum für Moderne Kunst im Pariser Palais de Tokyo, kostenlose Suppenküchen großer Starköche auf Straßenmärkten oder Grillpartys für fünf Euro in Marseille oder Nantes. Sogar eine Disco-Nacht mit dem Chefkoch des ehrwürdigen Hotels Lutetia und dem illustren Konditor Pierre Herme in einer zur Bar umgebauten Lagerhalle im 20. Arrondissement wurde organisiert - Zugang gab es nur mit einem Passwort, das kurz vor Beginn der Veranstaltung auf der "Fooding"-Internetseite verbreitet wurde.

Jeune Cuisine
Alternativer Reiseführer zu 150 Restaurants der "jungen" französischen Küche

Zweck dieser Events ist ein lockereres und fröhlicheres Kochen - die Anhänger von "La jeune cuisine" dagegen sind auf der Suche nach der französischen Küche der Zukunft. Luc Dubanchet und Laurent Seminet, beide ehemals beim ehrwürdigen Restaurant-Führer "Gault Millau" - der mit den Mützen - beschäftigt, setzten sich vor drei Jahren in den Kopf, Frankreich nach Talenten und Nachwuchs abzusuchen, statt gestresste Starköche nach althergebrachten Kriterien zu prüfen. Jüngste Veröffentlichung ist ein Reisetagebuch, für das die Herren 60.000 Kilometer kreuz und quer durch Frankreich fuhren, um 150 Küchentalente herauszupicken.

Die Provinz ist dynamischer

Statt klassischer Bewertungsmethoden schrieben die beiden Restaurant-Kritiker für jeden begabten Koch einen zweiseitigen Artikel mit Fotos. "Ich bekämpfe das Michelin-System", sagt Dubanchet, "es hat der französischen Küche enorm geschadet, da es sowohl die Köche als auch die Kunden daran gehindert hat, selbstständig nachzudenken. Ich finde das unannehmbar." Nur 18 Pariser Restaurants finden sich im neuen Führer der beiden Rebellen, "nur wenige tun sich hervor, die Provinz ist viel dynamischer", so Dubanchet.

Und so wurde ein erstes "Festival" der Bewegung auch nicht in Paris, sondern in der Hafenstadt Le Havre organisiert: Zwei Tage lang vollführten bekannte und weniger bekannte Köche beim "Omnivore Festival" Demonstrationen in einer voll besetzten Konzerthalle. David Zuddas aus Burgund entwickelte dabei ein Gericht, das in einem Goldfischglas serviert wurde: Kleine silberne Fische schienen darin zu schweben, waren jedoch in transparentem Agar-Agar-Gelee eingebettet. Abgerundet wurde der Schmaus mit Petersilienschaum.

Die Koch-Performance-Gruppe .C präsentierte eine einstündige Aufführung, bei der alle Köche schwarze Masken trugen. Ein Teil der Gruppe bildete eine Jazz-Band und spielte Musik, die anderen erstellten ein Gericht, das musikalische Noten darstellen sollte - und der ganze Vorgang wurde von einem Zeichner skizziert. Das Publikum schien etwas verdutzt, doch als die Köche die Masken abnahmen, war klar: Sie zumindest hatten sich köstlich amüsiert. (wga)