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Löfflers Lektüren

17. April 2009

Familie und Fußball - zwei Lieblingsthemen von Péter Esterházy. Schon öfter hat der Schriftsteller aus altem ungarischen Adel die Eltern zu Buch-Figuren gemacht oder das Fußballspiel besungen - aber noch nie zusammen.

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Cover
Bild: Berlin Verlag

Wie wäre es, einmal die eigene Fußball-Leidenschaft und die Mutter miteinander kurzzuschließen – zwei sprachliche Bereiche, die überhaupt nicht zueinander passen und die gerade deshalb interessante sprachliche Reibungen generieren könnten?

In dem neuen Roman "Keine Kunst" demonstriert Esterházy die hohe Kunst, zwei so disparate sprachliche Einheiten wie die Figur seiner aristokratischen Mutter Lili Esterházy und die Gestalt des ungarischen Fußball-Mythos Ferenc Puskás freundschaftlich miteinander zu verschränken, allein durch Syntax und durch Grammatik. Er zeigt "diesen ganzen Fußball-Kuddelmuddel durch den Mutterfilter".

Übermutter der ungarischen Fußballkunst

Er erfindet lauter glitzernde, geistreiche, kokette, ironische, abgründige Sätze über seine Wundermutter und über Puskás und das ungarische Wunderteam von Bern – all dies vor dem erinnerten Hintergrund des kommunistischen Ungarn der Nachkriegszeit. Das öffnet den Erzählraum für allerlei ungarische Fußball-Legenden, aber auch für Partei-Schnurren und Witze aus den Zeiten des Rákosi- und des Kádár-Kommunismus.

Der Autor macht aus Lili Esterházy die Übermutter der ungarischen Fußballkunst – eine Frau, für die sich die ganze Pracht der Welt im Viereck des Fußballplatzes darstellt. Er macht aus ihr einen Romanhelden namens "Meinemutter".

Nach dem Vater-Roman der Mutter-Roman

Dazu muss man wissen, dass die sprachliche Figur namens "Meinvater" der Hauptheld in Esterházys Opus Magnum, seinem ungarischen Geschichts- und Familienroman "Harmonia Cælestis", gewesen ist. Jeder männliche Vorfahr aus 400 Jahren Esterházy-Geschichte hieß darin "Meinvater". Vor lauter Vaterfiguren kam damals "Meinemutter" Lili etwas zu kurz. Auch deshalb nun diese Hommage an die Figur.

Peter Esterhazy
Péter EsterházyBild: Dan Wesker

Der selbstironische Witz entsteht aus dem Zusammenprall zwischen der ungarischen Adelsdame und der plebejischen Fußball-Obsession des Sohnes, dem Crash von gräflicher Adelsanmut und prolligem Männersport. Die Mutter des Ich-Erzählers wird vorgestellt als elegante Aristokratin und als Schlachtenbummlerin, die von der Tribüne herunter den Schiedsrichter und den Gegner mit gotteslästerlicher Vulgarität schmäht.

Der Sohn liebt die Mutter und den Fußball. Die Mutter, so argwöhnt der Sohn, liebte nicht ihn, sondern nur "den Fußball in mir", und zwar feuriger, hingerissener und überschwänglicher als sonstwas:

Es gab nichts, womit meine Mutter so eine Leidenschaft verband wie mit dem Fußball, weder mit meinem Vater noch mit ihren Kindern noch mit dem Herrgott.

Autorin: Sigrid Löffler

Redaktion: Gabriela Schaaf

Péter Esterházy: Keine Kunst. Roman. Aus dem Ungarischen von Terézia Mora. Berlin Verl. 2009. 253 S. 22 Euro.