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Politik

Macron und Merkel auf Rettungsmission

Michael Knigge Washington / AR
23. April 2018

Frankreichs Präsident Macron und Bundeskanzlerin Merkel wollen sich bei US-Präsident Trump dafür einsetzen, den Iran-Atom-Deal nicht zu kündigen. Doch die Aussichten sind düster. Von Michael Knigge, Washington.

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Angela Merkel und Emmanuel Macron
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Sohn

"Mission: Impossible" in Washington? An diesem Dienstag beginnt der französische Präsident Emmanuel Macron offiziell seinen Staatsbesuch bei US-Präsident Donald Trump, am Freitag ist Bundeskanzlerin Angela Merkel im Weißen Haus. Es ist der bislang höchstrangige europäische Vorstoß, das Atomabkommen mit dem Iran zu retten - ein Abkommen, das Trump mehrfach als den "schlechtesten Deal aller Zeiten" bezeichnet hatte.

Die deutsch-französische Charmeoffensive ist der am besten sichtbare Versuch, die US-Regierung daran zu hindern, den 2015 unterzeichneten Vertrag zu kündigen. Doch auch auf allen anderen Ebenen und hinter den Kulissen versuchen die Europäer, das Abkommen zu retten.

Zwischen der sogenannten E3-Gruppe, bestehend aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien, und den USA wurden und werden Verhandlungen geführt, um Trump entgegenzukommen, der eine Verschärfung des Atomabkommens fordert. Der US-Präsident hatte zuletzt am 12. Januar darauf verzichtet, seine Drohungen wahr zu machen und erneut Sanktionen gegen den Iran zu verhängen - womit das Abkommen tot wäre.

Das Abkommen sieht im Kern vor, dass der Iran auf eine Anreicherung von Uran verzichtet, das auch zur Atombombenherstellung taugt, aber Kernenergie zur Stromversorgung nutzen kann. Im Gegenzug wurden die jahrzehntelangen Wirtschaftssanktionen gegen das Regime in Teheran gelockert, was als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung des Landes gilt.

Donald Trump
US-Präsident Trump: "Schlechtester Deal aller Zeiten"Bild: picture-alliance/AP/dpa/A. Brandon

Erst vor wenigen Tagen haben hunderte europäische Abgeordnete einen offenen Brief an ihre Kollegen in Washington geschrieben, in dem sie den US-Kongress auffordern, den "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA) zu unterstützen, wie das iranische Atomabkommen offiziell heißt.

Aber der gemeinsame europäische Vorstoß, so hochrangige ehemalige US-Beamte und in Washington ansässige europäische Diplomaten, könnte sein Ziel verfehlen, Trump davon zu überzeugen, auch am 12. Mai die Finger von den Sanktions-Daumenschrauben zu lassen. Dann steht in Washington turnusgemäß eine erneute Überprüfung an, ob sich der Iran an seine Zusagen in dem Abkommen hält. Wenn der US-Präsident dies dann bezweifelt und sich für erneute Strafmaßnahmen entscheidet, wäre der historische Atomdeal Geschichte.

Pessimismus bei Experten

"Leider kenne ich niemanden in den Vereinigten Staaten, der besonders optimistisch ist, dass die Sanktionsbefreiungen zum fraglichen Zeitpunkt erneut unterzeichnet werden", sagt Laura Holgate, die bis zu Trumps Amtsantritt US-Botschafterin bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien war.

Die IAEA, die den Auftrag hat, die Einhaltung des Abkommens zu überwachen, ist bisher zu dem Schluss gekommen, dass der Iran seinen Verpflichtungen nachgekommen ist. Auch Elizabeth Rosenberg, ehemals im US-Finanzministerium für Sanktionen zuständig, teilt Holgates Skepsis, was die Chancen angeht, das Abkommen zu retten - selbst wenn es den Europäern gelingt, eine Kompromissformel zu finden: "Ich bin nicht sehr zuversichtlich, dass die US-Regierung am Ende weiterhin ihren Verpflichtungen aus dem Abkommen nachkommen wird."

Zu behebende "Schwachstellen"

Zwar geben sich EU-Diplomaten in Washington offiziell zuversichtlich, dass die Verhandlungsführer eine gemeinsame Basis finden. Hinter vorgehaltener Hand äußern aber auch sie Zweifel, ob ein möglicher Kompromiss dem US-Präsidenten tatsächlich reichen wird. "Ich habe Hoffnung, bin aber nicht sicher", so ein europäischer Diplomat. "Niemand weiß, was Trump am Ende tun wird." Ein Vertreter eines anderen europäischen Landes sagt, er sei zuversichtlich, dass ein gemeinsames Dokument ausgehandelt werden könne, betont aber, dass selbst US-Beamte dieser Tage nicht mit Sicherheit sagen könnten, ob der Präsident es unterzeichnen würde.

Iranische Atomanlage Buschehr
Iranischer Atomreaktor in Buscher: Kernernergie statt UrananreicherungBild: picture-alliance/dpa

Von drei "Schwachstellen" spricht Trump: Teherans ballistisches Waffenprogramm, der erweiterten IAEA-Zugang zu iranischen Einrichtungen und die sogenannten "Sunset Clauses". In diesen ist geregelt, wann die verschiedenen Beschränkungen auslaufen, die dem iranischen Atomprogramm auferlegt wurden. In Sachen "Sunset Clauses" ist es am schwierigsten, einen Kompromiss zu finden, sagen die amerikanischen und europäischen Experten.

Der Hardliner in Trumps Team

Die Trump-Administration will das Ende der Beschränkungen für den Iran nach hinten verschieben, die eigentlich bis 2031 vollständig auslaufen sollen. Dagegen zögern die Europäer, an dieser Schraube zu drehen, denn aus ihrer Sicht würde dies eine komplette Neuverhandlung des Atom-Deals bedeuten.

Richard Nephew hat US-Präsident Barack Obama bei den Verhandlungen mit der Führung in Teheran in Sachen Sanktionen beraten und war im Nationalen Sicherheitsrat für den Iran zuständig. Auch er ist skeptisch, was den Fortbestand des Atom-Deals angeht, unter anderem weil er die Einigkeit der Europäer infrage stellt.

Was die Verhandlungen mit den E3 aus US-Sicht erschwere, so Nephew, sei die Frage, inwieweit Deutschland, Frankreich und Großbritannien wirklich für alle anderen EU-Länder sprechen können; einige Länder sind für ein weniger strenges Vorgehen gegenüber dem Iran. Deutschland könne Italien nicht dazu zwingen, auf eine gemeinsame Linie einzuschwenken, ebenso wenig wie Großbritannien, das gerade schwer mit dem Brexit beschäftigt ist.

John Bolton
Sicherheitsberater Bolton: "Stoppt Irans Bombe durch Bomben auf den Iran!"Bild: Getty Images/J. Raedle

Das Hauptproblem, da sind sich alle Experten einig, ist Donald Trumps langjährige Fundamentalopposition gegen das Iran-Abkommen - eine ablehnende Haltung, in der der US-Präsident durch seinen neuen Nationalen Sicherheitsberater John Bolton noch bestärkt werden könnte. Bolton, ein berüchtigter Hardliner, hatte vor drei Jahren in einem Leitartikel geschrieben: "Stoppt Irans Bombe durch Bomben auf den Iran!"

Das Thema "Ende des Atom-Deals" habe ein so großes Gewicht in Trumps Wahlkampf und seinem ersten Jahr im Amt des US-Präsidenten, so Expertin Rosenberg, dass kaum vorstellbar sei, "dass es eine magische diplomatische Lösung geben wird, die es ihm erlaubt, das Abkommen mit Füßen zu treten und gleichzeitig unangetastet zu lassen".

Wie umgehen mit Trump?

Angesichts Trumps Ablehnung des Atom-Deals, der das außenpolitische Vermächtnis seines Vorgängers Barack Obama ist: Was können Merkel und Macron in dieser Woche in Washington realistischer Weise tun, um Trump davon zu überzeugen, das Abkommen fortzuführen?

Ihr Einfluss ist begrenzt, sagen frühere Vertreter der US-Regierung. Macron und Merkel sollten eine herzliche Beziehung zu Trump aufbauen, so der Ratschlag der amerikanischen Experten, und ein Angebot in der Tasche haben, das den US-Präsidenten dazu bewegen könnte, das Abkommen nicht zu kündigen. Aber letzten Endes, so die frühere IAEA-Botschafterin Holgate, sollten Merkel und Macron versuchen zu erklären, warum es im eigenen Interesse der USA liegt, das Abkommen nicht scheitern zu lassen.

Aus Laura Holgates Sicht die einzige Möglichkeit: Der Staatspräsident und die Kanzlerin müssten Trump klar machen, wie der Tag nach dem Vertragsbruch aussehen würde: "Wie kann es im Interesse der USA liegen, dass unser europäisches Bündnis in Trümmern liegt, dass die Führung in Teheran vielleicht mehr als in den 15 Jahren zuvor das Gefühl hat, dass der Iran tatsächlich eine Atomwaffe braucht, um sich gegen künftige US-Aktionen zu verteidigen?" Sie könne sich einfach nicht vorstellen, so die Atomexpertin, dass eine Welt ohne das Atomabkommen tatsächlich im Interesse der USA ist.