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"Köhler wird eigene Themen noch stärker artikulieren"

24. Mai 2009

Der Ausgang der Bundespräsidentenwahl hat das linke Lager weiter geschwächt. Präsident Köhler könnte seinerseits nun abseits der Parteipolitik stärker auf eigene Themen setzen, meint Politikwissenschafler Nils Diederich.

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Köhler bei Gebet in einer Kirche (Foto: AP)
Alter und neuer Präsident Köhler: Kann er seine eigene Agenda noch stärker durchsetzen?Bild: AP

Professor Nils Diederich ist Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin und saß insgesamt 16 Jahre für die SPD im Bundestag. Seiner Ansicht nach haben Union und FDP durch die Wiederwahl von Bundespräsident Köhler ein Signal für die Bundestagswahl im September gesetzt. Dass das linke Lager auf unterschiedliche Kandidaten setzte, mag die SPD im Nachhinein als Erfolg verkaufen. Doch selbst der geht nicht wirklich auf das Konto der Sozialdemokraten, meint Diederich. Köhler könne sich dagegen seinerseits noch stärker abseits der Parteiinteressen auf eigene Themen konzentrieren.

DW-WORLD: Union und FDP feiern Köhlers Sieg und sehen dies als ein gutes Signal für die Bundestagswahl. Haben sie Grund dazu?

Nils Diederich: CDU, CSU und FDP haben eine schöne Einigkeit demonstriert und damit den Wählern signalisiert 'Es lohnt sich uns zu wählen. Wir stehen gut zusammen.' Ich denke, es ist eine Art Ankündigungssignal. Eine Niederlage wäre mit Sicherheit sehr viel schwieriger zu verkraften gewesen.

Gibt es in der SPD - trotz der Niederlage ihrer Kandidatin - ein Aufatmen, weil sich die Partei erfolgreich von der Linken distanziert hat?

Dass die SPD sich erfolgreich von der Linken distanziert hat, liegt ja vor allem an der Linken und an der erstaunlichen Einigkeit dieser Gruppierung und dass sie diesen eigenen Kandidaten gehabt haben. Es wäre für die SPD schwieriger geworden, wenn es zum dritten Wahlgang gekommen wäre und dann ein Teil der Linken vielleicht SPD gewählt hätte.

Man muss dazu ja auch sagen, dass das Ergebnis der SPD ja nicht so glänzend war, denn immerhin hat es ja offenbar eine Reihe Stimmen gegeben - ich vermute mal Grüne, aber es können durchaus auch SPD-Politiker sein, die Frau Schwan nicht gewählt haben. Und das ist in einer Situation, wo die andere Seite offenkundig ganz einstimmig gestanden hat, doch ein erklärungsbedürftiger Tatbestand.

Wie ein Mantra wird immer wieder betont, dass der Bundespräsident über der Parteipolitik steht. Ist sein Amt durch die Manöver der Parteien dennoch in Mitleidenschaft gezogen worden?

Nein, absolut nicht. Den Vorgang, den wir am Samstag gehabt haben, hat es ja früher auch schon gegeben. Dass es Gegenkandidaten gab und dass Kandidaten trotzdem haben Einigung herbeiführen können. Natürlich ist es so, dass wenn SPD und CDU tatsächlich die Absicht gehabt hätten, die große Koalition fortzusetzen, hätte es sicherlich keinen Gegenkandidaten gegeben, und dann hätten diese beiden Gruppierungen ihre Einigkeit zeigen können. Dass es anders gekommen ist, ist die deutliche Aufstellung für die Bundestagswahl. Es geht um die Frage ob schwarz-gelb eine Mehrheit bekommt oder ob es eine andere Konstellation gibt. Und für diese andere Konstellation spricht nach diesem Ergebnis eigentlich weniger als mehr.

Seine Aussagen zeigen, dass sich Horst Köhler als Mann mit Mission begreift. Wie wirksam kann er seine Themen wie Afrika, Integration oder Bildung wirklich auf der politischen Agenda platzieren?

Ich denke, dass die Stärkung von Köhler durch seine Wiederwahl ihm den Mut geben wird, auch in unangenehmen Fragen weiterhin die mahnende Stimme zu erheben. Wie weit damit ein durchsetzbarer Einfluss verbunden ist, steht dahin - das haben ja Bundespräsidenten in dieser Weise nie gehabt. Aber er kann durchaus Dinge thematisieren, und meine Prognose ist, dass er das in zunehmendem Maße tun wird. Es ist ja schon bemerkenswert, dass er seine ursprüngliche vollständig neoliberale Orientierung im Laufe der Zeit verändert hat und selber heftig Kritik an dem Zustand der Finanzwirtschaft geübt hat. Ich kann mir vorstellen, dass er sich in Zukunft auf den Feldern, die ihn interessieren - internationale Politik, besonders Afrika - noch stärker artikulieren wird.

Köhler tritt zu seiner zweiten und letzten Amtszeit an. Kann er jetzt freier agieren?

Ich glaube, dass Köhler auch bisher so gehandelt hat, wie er denkt, dass er hätte handeln sollen und nicht opportunistisch nach der Wiederwahl geschielt hat. Insofern ist er genauso frei wie bisher, seine Meinung zu sagen. Er ist auf der konservativen Seite, aber er hat eine Menge Einsichten gewonnen, die vielleicht auf der konservativen Seite noch nicht alle akzeptiert sind, und ich denke, dass wird er auch zum Ausdruck bringen, ohne dass er durch irgendwelche Rücksichten persönlicher Art gehemmt wird.

Das Interview führte Ranty Islam

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