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Kämpfen für Kerry

Martin Schrader28. Oktober 2004

Der Direktor des Jüdischen Museums Berlin und ehemalige US-Finanzminister W. Michael Blumenthal ist unter die Wahlkämpfer gegangen. Im In- und Ausland wirbt er für "seinen Mann" im Weißen Haus: John Kerry.

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Wirbt für Kerry, warnt vor Bush: W. Michael BlumenthalBild: Sönke Tollkühn

Michael Blumenthal trägt seine politische Gesinnung gerne am Revers zur Schau: Dort steckt ein Wahl-Button auf dem vor blau-weiß-roter US-Flagge in großen Buchstaben der Name des Mannes zu lesen ist, den Blumenthal am liebsten im Weißen Haus sehen würde: John Kerry for President! Auf Einladung der American Academy in Berlin kam er deshalb auch in die deutsche Hauptstadt, um auf einer Diskussionsveranstaltung wichtige Stimmen von Auslands-Amerikanern für seinen Kandidaten zu werben. Anschließend sprach Blumenthal mit DW-WORLD und erläuterte, warum ein Präsident Kerry für die USA und die Welt besser wäre als der derzeitige Amtsinhaber.

Politik für die Reichen

Als "unzureichend und falsch" bezeichnet er die Wirtschaftspolitik Bushs. "Der Präsident hat eine Wirtschaftspolitik verfolgt", so Blumenthal, "in der er drei Steuersenkungen selbst während des Irak-Konflikts durchgeführt hat. Das ist einmalig, dass man während eines Krieges, in dem man riesige Militärausgaben bestreiten muss, gleichzeitig das Staatsbudget mit großen Einnahmeverlusten belastet." Zudem seien die Steuersenkungen für Spitzenverdiener unsinnig, da dadurch nicht die Wirtschaft angekurbelt würde. Als Gefahr für die Weltwirtschaft sieht Blumenthal das hohe Defizit des US-Haushalts. Wenn dadurch eine internationale Finanzkrise ausgelöst werde, könne dies auch zu einer Bedrohung für Europa und die ganze Welt werden.

Diese Warnungen sind vor allem deshalb von Bedeutung, weil der 1926 in Oranienburg bei Berlin geborene Blumenthal ein intimer Kenner der amerikanischen Volkswirtschaft ist. Er war in den 1970er Jahren unter Präsident Jimmy Carter Finanzminister, in den 1960er Jahren arbeitete er als Berater in Handelsfragen für die Präsidenten Kennedy und Johnson; und in den 1950er Jahren lehrte er als Wirtschaftsprofessor an der renommierten Princeton Universität und war Vizepräsident beim Unternehmen Crown Cork International. Seit 1997 ist Blumenthal, der fließend deutsch spricht, zudem Direktor des Jüdischen Museums Berlin, lebt allerdings weiter in den USA.

Verfehlte Außenpolitik

Ein Präsident Kerry, sagt Blumenthal, würde eine Politik für die Masse der US-Bevölkerung machen und nicht nur für die Reichen. "Er würde erstmal die Steuersenkungen für die höchsten Verdiener, also die, die über 200.000 Dollar verdienen, rückgängig machen. Das hat er klar gesagt." Zudem plane Kerry Verbesserungen in der Gesundheits- und Sozialpolitik. Noch immer leben in den USA etwa 45 Millionen Menschen ohne richtige Gesundheitsversicherung. Kerry hat versprochen, mindestens 25 Millionen davon wieder in das Gesundheitssystem zu integrieren.

Die großen Mängel in der US-Sozialpolitik hängen nach den Worten von Blumenthal auch mit einem anderen großen Angriffspunkt der Bush-Politik zusammen: dem Irak-Krieg und dem darauf folgenden Chaos in diesem Land: "Schwierigkeiten bei der Finanzierung von Sozial-Projekten und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind auch dadurch (entstanden), dass riesige Beträge im Irak ausgegeben werden, die hauptsächlich aus amerikanischen Quellen bestritten werden müssen."

Recht auf den ersten Angriff

Keinen absoluten Unterschied zwischen der Sicherheitspolitik von Bush und Kerry sieht Blumenthal bei der Idee des präventiven Erstschlags, die vor allem außerhalb der USA heftig kritisiert wird. Demnach behält sich die US-Regierung das Recht vor, jedes Land anzugreifen, das ihrer Meinung nach eine Bedrohung für die USA darstellt. "Wenn die Gefahr sehr groß ist", so Blumenthal, "würde auch Kerry das Land mit allen Mitteln verteidigen", also auch per präventivem Erstschlag, "aber er würde es nur in allerletzter Minute tun". Und dies sei ein entscheidender Unterschied zu Bush, der den Irak angegriffen habe ohne solide Informationen darüber, welche Gefahr von diesem Land ausgehe. Zudem seien die Informationen, die man hatte, falsch, wie man heute wisse; es habe dort keine Massenvernichtungswaffen gegeben und Saddam Hussein sei längst nicht so stark gewesen, wie es von der US-Regierung behauptet wurde.

Allianzen stärken

Blumenthal meint, dass Kerry trotz der umstrittenen Theorie des präventiven Erstschlags die Beziehungen der USA zu Deutschland und anderen Ländern in Europa und auf der Welt wieder normalisieren würde. "Er würde sich, glaube ich, von Anfang an sehr bemühen, das atlantische Bündnis, das während der letzten 50 Jahre, während des Kalten Krieges, so gut funktioniert hat und wirklich mit Erfolg funktioniert hat, wieder zu beleben und seinen Kollegen in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern Europas das Gefühl zu geben und zu beweisen, dass ihre Meinung wichtig ist." Für Blumenthal steht darum außer Frage, wem er am 2. November seine Stimme geben wird. Und das zeigt er auch gerne am Kragen seines Anzugs.