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Kyoto-Preis für Tissue Engineering

Gudrun Heise10. November 2014

Er hält mehr als 1000 Patente, wurde bereits mit weit über 200 Preisen ausgezeichnet. Jetzt kommt für Robert Samuel Langer der renommierte Kyoto-Preis hinzu.

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Samuel Robert Langer (Foto: Massachusetts Institute of Technology).
Bild: Massachusetts Institute of Technology

"Ich sehe mir die Liste der Personen an, die diesen Preis bekommen haben, und es erfüllt mich mit großer Demut, mich in ihrer Gesellschaft zu befinden", resümiert der Ingenieur für Biomedizintechnik und diesjährige Preisträger, Robert Samuel Langer. "Es ist eine sehr große Ehre für mich. Der Kyoto-Preis ist einer der renommiertesten Preise in der Welt."

Seit 1985 wird der Preis von der Inamori-Stiftung verliehen. Der Gründer des Technologiekonzerns Kyocera, Kazuo Inamori, hat sie 1984 ins Leben gerufen. Ausgezeichnet werden außergewöhnliche Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft. Langer hat das Tissue Engineering (TE) begründet.

Die Geschichte hinter der Geschichte

Beim Tissue Engineering geht es um die Nachzüchtung von Gewebe. Zurzeit wird TE vor allem bei Transplantationen von Haut und Knorpel eingesetzt, aber auch für Gefäße und sogar für Organteile. Nicht mehr funktionierendes Gewebe kann regeneriert oder ersetzt werden, Heilungsprozesse können unterstützt werden. Entwickelt hat Langer das Verfahren bereits vor etwa 30 Jahren zusammen mit dem Chirurgen Joseph Philip Vacanti: "Ich habe das Material und die Wissenschaft geliefert, und Joseph war für die klinische Seite da." Sein Kollege habe Patienten behandelt, die an Leberversagen starben, erzählt der Wissenschaftler. "Und eines Tages kam er zu mir - ich kannte ihn damals schon einige Jahre - und sagte: 'Ist es nicht möglich, dass wir eine Strategie finden, um diesen Menschen zu helfen?'"

"Und dann hatten wir eben die Idee, dass wir Polymere nehmen - eine chemische Verbindung aus Ketten- oder verzweigten Molekülen - und darauf Zellen setzen könnten. Zunächst einmal haben wir das in einer zweidimensionalen Form gemacht, vergleichbar mit einer Münze. Aber dabei bekamen wir nicht genug Zellen unter, sodass wir das Ganze dann in ein dreidimensionales System brachten. Und das hat tatsächlich funktioniert." Das sei in den achtziger Jahren gewesen, die ersten Produkte habe es dann etwa 15 Jahre später gegeben. Schon lange wird gezüchtetes Gewebe eingesetzt, etwa bei der Versorgung von Brandopfern.

Die Forschung vorantreiben

In der Forschung geht es auch darum, zu verstehen, wie die Zellen auf verschiedenen Materialien wachsen, wie Stammzellen wachsen, und wie man auf diese Art Gewebe und Organe herstellen könnte. Tissue Engineering ist ein riesiges Forschungsgebiet, auch beim IGB, dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik in Stuttgart. Dort beschäftigt sich Heike Walles mit TE.

Samuel Robert Langer in seinem Labor (Foto: Massachusetts Institute of Technology).
Langer hat ein eigenes Forschungslabor das "Langer Lab"Bild: Ben Tang

Robert Samuel Langer ist ihr durchaus ein Begriff: "Ich kenne ihn von Vorträgen und von Kongressen. Dort haben wir auch schon über einige Aspekte diskutiert, aber ich habe nie enger mit ihm zusammen gearbeitet.

Langer sei nicht nur der Begründer des Tissue Engineering, sondern jemand, der dieses Gebiet zusammen mit seinem Kollegen maßgeblich geprägt und vorangetrieben habe. "Sie haben gezeigt, dass es möglich ist, Zellen außerhalb des Körpers zu vermehren und dass es wichtig ist, diese Zellen mit den unterschiedlichsten Materialien in Verbindung zu bringen und zu untersuchen, wie diese Materialien dann die Funktion der Zellen beeinflussen", so die Wissenschaftlerin. "Langer hat viel dazu beigetragen, dass wir heute so weit sind."

Das "Drug Delivery System"

Das zweite Gebiet, das Langer am Herzen liegt, ist das sogenannte "Drug Delivery System", also ein System zur Gabe von Medikamenten. "Wenn man versuchen würde, Proteine wie Insulin, zu schlucken, dann würden sie nicht in den Blutstrom gelangen. Sie sind einfach zu groß. Aber wenn man sie injiziert, dann wirken sie sofort. Wir haben also die ersten Systeme entwickelt, die diesen Stoffen nicht schaden und sie über lange Zeit liefern. Das hat zu einer Reihe von Produkten geführt, mit denen nun etwa Prostatakrebs behandelt wird oder Typ 2 Diabetes. Es ist ein riesiger Bereich."

Menschen im Zentrum der Forschung

Robert Samuel Langer geht es nicht nur um die reine Forschung. Ihm geht es um Menschen und darum, zu helfen. Auch das zeichnet ihn aus. Derzeit arbeitet er an Nanotechnologien zur Behandlung von Krebs. Auch Impfstoffe sind ein wichtiges Thema für den Wissenschaftler. "Wir sind dabei, Systeme zur Gabe von Medikamenten zu entwickeln, die hoffentlich Menschen mit Polio, AIDS oder ähnlichen Krankheiten helfen können."

Langer ist auch ein Familienmensch. Drei Kinder hat er. Neulich sei er mit seinem Sohn zum Sundance Festival in Utah gefahren. "Mit meiner Tochter habe ich jetzt eine Reise gemacht, habe sie im August zu verschiedenen Konferenzen in Europa mitgenommen. Jetzt, wo sie größer sind, mache ich mit jedem von ihnen einmal im Jahr eine Reise." Seine Frau ist in Kyoto dabei. Das seien wichtige Dinge.

Kooperation statt Konkurrenz

Geboren ist Langer 1948 in Albany, im US-Bundesstaat New York. Heute lebt er in Cambridge, Massachusetts. Robert Langer wurde zum Institutsprofessor des "Massachussetts Institute of Technology (MIT)" ernannt - die höchste Auszeichnung, die vom MIT vergeben wird. Er ist ein weltweit anerkannter und geachteter Wissenschaftler, hat bahnbrechende Forschung geleistet, aber nicht nur das.

Es sei seine ganze Art, so Heike Walles vom Fraunhofer-Institut in Stuttgart. "Jeder hat ja immer Angst vor dem anderen, vor der Konkurrenz. Langer hat gezeigt, dass man kooperieren kann, auch wenn man eng an denselben Themen arbeitet. Es gibt so viele unterschiedliche Konzepte in der Materialentwicklung, dass es für jeden etwas zu tun gibt." Bei Langer hätten die Mitarbeiter offene Türen eingerannt, so die Wissenschaftlerin. Kooperation und Teamarbeit hat er immer gefördert. "Ich denke, dass er den Preis wirklich verdient hat."

Eine lange Liste mit großen Namen

Langer hat sein eigenes Forschungslabor. Er ist stolz auf seine Mitarbeiter. Es ist ihm wichtige, jungen Menschen etwas auf ihren Lebensweg mitzugeben. "Auszeichnungen sind wunderbar und ich fühle mich sehr geehrt. Was ich aber wirklich erreichen möchte, ist Menschen zu helfen. Wenn das gelingt, dann wird sich alles andere fügen", so der Preisträger.

Dotiert ist der Kyoto-Preis mit umgerechnet 362.000 Euro. Seit fast 30 Jahren wird die Auszeichnung verliehen. Entsprechend lang ist die Liste der renommierten Preisträger. Die Kategorien reichen von Kunst und Musik, über Mathematik, Materialwissenschaft und Informatik, bis hin zu Kognitionswissenschaft und Biotechnologie. Die Primatenforscherin Jane Goodall findet sich genauso darin wie der Komponist und Dirigent Pierre Boulez, die Künstler Roy Lichtenstein und Nam June Paik, der Biologe William D. Hamilton, und der Kognitionswissenschaftler Noam Chomsky und viele, viele weitere Größen. Seit diesem Jahr gehört auch Robert Samuel Langer dazu.

Kazuo Inamor Begründer Kyoto-Preis Japan
Kazuo Inamori hat den Kyoto-Preis ins Leben gerufenBild: Inamori Foundation