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Politik

Kurden fordern europäische Vermittlung in Afrin

19. März 2018

Die kurdische Gemeinschaft in Deutschland fühlt sich von Europa allein gelassen und fordert ein deutliches Signal Richtung Türkei. Präsident Erdogan droht mit einer Ausweitung der Offensive und dem Einmarsch in den Irak.

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Syrien Afrin Einmarsch Milizen
Die Eroberer patrouillieren in AfrinBild: Getty Images/AFP/B. Kilic

Die Kurden in Afrin fühlten sich im Stich gelassen, sagte der Generalsekretär der "Kurdischen Gemeinde Deutschland" (KGD), Cahit Basar, im Deutschlandfunk. Europa als Mediator könne "diese Kämpfe sehr schnell verkürzen oder beenden", indem man ein deutlicheres Signal Richtung Ankara sende und eine demokratische Selbstverwaltung im Norden Syriens wieder etabliere. Europa habe das "Demokratieprojekt" in der Region aber im Stich gelassen.

Die Kurdische Gemeinde Deutschland ist ein Dachverband deutsch-kurdischer Vereine im Bundesgebiet und beschreibt sich selbst als "religionsneutral und überparteilich".

Scharfe Kritik an Plünderungen

Nach ihrem Einmarsch in Afrin haben protürkische Rebellen, darunter vermutlich auch Angehörige der mit der Türkei verbündeten "Freien Syrischen Armee" (FSA) Wohnhäuser und Geschäfte der Menschen geplündert, die während des Dauerbeschusses der vergangenen Wochen aus Afrin geflohen sind. Im Zentrum der Stadt seien Autos, Laster und Traktoren zu sehen gewesen, die Nahrungsmittel, Elektrogeräte, Decken und sogar Motorräder abtransportierten, berichteten Aktivisten und Reporter der Nachrichtenagentur AFP aus der Stadt. Mit Traktoren hätten die Rebellen auch Autos aus der Stadt hinausgeschleppt.

Syrische Oppositionsgruppen reagierten mit scharfer Kritik auf die Plünderungen. "Der Diebstahl von öffentlichem und privatem Eigentum sind ein Verbrechen", schrieb Mohammed Allusch von der Rebellengruppe Dschaisch al-Islam im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Auch der frühere Vorsitzende der Syrischen Nationalen Koalition (SNC), Chaled Chodscha, verurteilte die Plünderungen.

Erdogan droht mit Ausweitung der Syrienoffensive

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drohte nach der Einnahme Afrins mit einer Ausweitung der Offensive nach Ostsyrien und mit einem Einmarsch in den Irak. Man wolle gegen weitere von der Kurdenmiliz YPG kontrollierte Gebiete bis nach Kamischli vorrücken, sagte Erdogan in Ankara. Zudem werde man die "Terrorcamps" der PKK im Nordirak "wenn nötig anhaltend unter Kontrolle bringen". Erdogan nannte das nordirakische Sindschar das "zweite Kandil" und sagte, Ankara habe der irakischen Zentralregierung gesagt, dass sie "die Sache" lösen solle, andernfalls werde die Türkei es tun. "Wir würden sofort eines Nachts plötzlich in Sindschar einmarschieren und es von der PKK säubern", sagte Erdogan.

Rotes Kreuz fordert freien Zugang zu Flüchtlingen

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) verlangt unterdessen einen ungehinderten Zugang zu den Hunderttausenden Flüchtlingen in der von der türkischen Armee eingenommenen syrischen Region Afrin. Das IKRK müsse in der Region arbeiten können, forderte dessen Präsident Peter Maurer in Genf. Die Zivilisten hätten das Recht auf eine neutrale und unparteiische Hilfe und das Recht zu bleiben oder wegzuziehen. Bis zu 200.000 Zivilisten sollen Afrin während der Kämpfe verlassen haben. Wie viele Menschen sich noch in Afrin aufhalten ist unklar. Die Schätzungen liegen zwischen 300.000 und 500.000 Menschen.

Syrien Familie in Afrin
Flucht aus Afrin kurz vor dem Fall der Stadt am WochenendeBild: Reuters/K. Ashawi

Die türkische Armee und ihre syrischen Verbündeten hatten am Sonntag die überwiegend von Kurden bewohnte Stadt Afrin fast zwei Monate nach Beginn ihrer Offensive von der Kurdenmiliz YPG erobert. Die Regierung in Ankara sieht die YPG wegen ihrer engen Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK als Terrororganisation und begründet den Einmarsch mit angeblicher Selbstverteidigung. Die PKK steht in der Türkei, Europa und den USA auf der Terrorliste. Die YPG dagegen ist wichtiger Partner der USA im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte gedroht, nach Afrin auch Manbidsch und andere Städte in der Region anzugreifen. Ankara versucht seit längerem, eine zusammenhängende kurdische Einflusszone im eigenen Grenzgebiet zu Syrien und dem Irak zu verhindern.

Allerdings kündigte der türkische Armeesprecher Bekir Bozdag an, die türkische Armee wolle sich aus der gerade erst eingenommenen Region Afrin zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückziehen. Die Türkei werde den überwiegend von Kurden bewohnten Landstrich an der Grenze zur Türkei ihren "wirklichen Besitzern" überlassen, kündigte Bozdag an, der auch stellvertretender Ministerpräsident ist. Er ließ zunächst offen, wer mit den "wirklichen Besitzern" Afrins gemeint und wann mit einem Abzug zu rechnen sei.

qu/stu/as (afp, rtr, Deutschlandfunk)