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Kurde zum irakischen Präsidenten gewählt

6. April 2005

Mehr als zwei Monate nach der historischen Wahl im Irak hat der Streit um die Besetzung zentraler Regierungsposten ein Ende gefunden.

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Der neue Chef im Irak: Dschalal TalabaniBild: AP

Der 72-jährige Dschalal Talabani wurde am Mittwoch mit 227 von 275 Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt. Zu
seinen Stellvertretern wurden wie erwartet der Schiit Adel Abdul Mahdi und der Sunnit Ghasi al Jawer benannt. Abdel Mahdi war vorher bereits Finanzminister, Jawer der bisherige Übergangspräsident des Irak.

Straffe Terminplanung

Die drei Politiker bilden den Präsidialrat, der einstimmig den neuen Regierungschef ernennen soll. Dieser unterbreitet dem Präsidialrat wiederum seine Kabinettsliste, die das Parlament anschließend mit absoluter Mehrheit billigen muss. Alle Ämter gelten bis zu der für Dezember 2005 geplanten Parlamentswahl.

Nach Angaben von Parlamentspräsident Hadschem al Hassani sollen die Mitglieder des Präsidialrates bereits am Donnerstag (7.4.05) ihren Amtseid ablegen. Laut Talabani will der Präsidialrat am selben Tag den Schiiten Ibrahim Dschaafari zum Ministerpräsidenten ernennen. Das Kabinett werde dann voraussichtlich in der kommenden Woche feststehen.

Parlamentsgebäude Irak Spezialbild Bagdad
Hier versammelt sich das irakische ParlamentBild: AP

Schwierige Postenvergabe

Die im neu gewählten irakischen Parlament vertretenen Parteien konnten sich erst nach langen Verhandlungen auf diese drei Kandidaten einigen. Weitere Kandidaten standen nicht zur Wahl.

Am Sonntag war der Sunnit Hadschem al Hassani zum Parlamentspräsidenten gewählt worden. Über die Besetzung des Öl-Minister-Postens sind sich die Schiiten und Kurden noch immer nicht einig.

Aufruf zum Gespräch mit Aufständischen

Talabani sagte nach seiner Wahl vor den Abgeordneten, er werde sich am Aufbau eines demokratischen Staates beteiligen, "der die Freiheit für alle garantiert und der dem Terrorismus, der Korruption und dem rassistischen Gedankengut ihre Wurzeln entzieht". Der frühere kurdische Rebellenführer sprach sich für einen Dialog mit den Aufständischen aus: "Die Iraker, die Waffen tragen, um gegen ausländische Kräfte zu kämpfen, sind unsere Brüder
und wir können mit ihnen reden," sagte er. Für El-Kaida-Anhänger um den jordanischen Extremisten Abu Mussab al Sarkawi gelte dies nicht. "Es gibt eine Trennlinie zwischen den mit dem Ausland verbundenen Terroristen und den Irakern, die denken, dass ihre bewaffneten Aktionen im Interesse des Irak sind," sagte Talabani.

Überraschende Glückwünsche aus der Türkei

Der türkische Außenminister Abdullah Gül begrüßte nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu die Wahl Talabanis. Talabani sei ein erfahrener Politiker, der der Einheit des Landes eine große Bedeutung beimesse. Ankara hatte sich wiederholt besorgt über die Möglichkeit eines kurdischen Staatschefs im Nachbarland geäußert. Die Türkei fürchtete offenbar, die Erstarkung der Kurden könne deren
Autonomiebestrebungen auf beiden Seiten der Grenze Autrieb geben.

Während der Herrschaft Saddam Husseins waren die Kurden, die 15 bis 20 Prozent der irakischen Bevölkerung ausmachen, an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden. Ende der 1980er-Jahre griff die irakische Armee das Kurdengebiet an und zerstörte zahlreiche Dörfer. Dabei kam auch Giftgas zum Einsatz. Nach dem Golfkrieg 1991 entstand im Nordirak eine de facto autonome kurdische Zone, auf die Bagdad keinen Einfluss hatte. (ch)