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Wo Wasseramseln und Skulpturen zu Hause sind

16. August 2010

Unsere Serie zur Gartenkultur führt uns diesmal in eine parkähnliche Landschaft nördlich von Köln. Dort, wo der kleine Murbach in das Flüsschen Wupper mündet, ist der "Sinneswald" zu finden.

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Schild 'Sinneswald' (Foto: Günther Birkenstock/DW)
Bild: DW/Birkenstock

Ein paar Dutzend Häuser und viel Grün. Fast so etwas wie eine Siedlung im Wald ist der Ortsteil Balken in Leichlingen. Nur an wenigen Stellen schlängelt sich die Wupper so malerisch durch die Landschaft wie hier. Einige hundert Meter vom Wupperufer entfernt, im Inneren des Waldes, rauscht der Murbach, und ein Schild mit der Aufschrift "Sinneswald" weist Spaziergängern den Weg in einen groß angelegten Park: Heimat für Eisvögel, Wasseramseln, zahlreiche Libellenarten und auch Fledermäuse.

Kaum hat man den Eingang passiert, präsentiert sich eine malerische Insellandschaft. Wiecze Braun hat sie zusammen mit ihrem Partner Wolfgang Brudes mit eigener Hand geschaffen: "Das ist der alte Karpfenteich, hier wurde das Wasser für die Mühle gestaut." In früheren Zeiten konnte man so den Betrieb der Mühle aufrechterhalten, wenn das Wasser des Murbachs mal nicht mehr reichte.

Bach-Gartenlandschaft (Foto: Günther Birkenstock/DW)
Bild: DW/Birkenstock

Die Natur durch Kunst reicher machen

Doch der Sinneswald bietet mehr als die komplexe Insellandschaft. Neben dem ehemaligen Karpfenteich mit Seerosen und Wildgräsern, der auch von einigen Entenfamilien bevölkert wird, führen Wege den Berg hoch in den Wald hinein. Teils am Wegesrand, teils zwischen den Bäumen verstreut, stehen Figuren und Skulpturen aus verschiedensten Materialien.

Wiecze Braun ist auf dem fünf Hektar großen Anwesen aufgewachsen. Nach dem Tod ihrer Eltern, die hier Landwirtschaft betrieben, hat sie es mit Wolfgang Brudes in eine fast märchenhafte Gartenlandschaft verwandelt. Die Natur sollte durch die Kunst bereichert und erweitert werden, an einem Ort, der vor Geschichte nur so strotzt. Die Grundmauern stammen aus dem 15. Jahrhundert. Ursprünglich stand hier eine Mühle, die im Laufe der Jahrhunderte sehr unterschiedlichen Zwecken diente. 1856 wurde auf den Grundmauern die jetzt noch architektonisch bestehende Fabrik aufgebaut. Zunächst entstand hier eine Wollspinnerei. Später war es eine Drahtzieherei, und nach dem Ersten Weltkrieg wurden hier sogar Prothesen für die Kriegsversehrten hergestellt. Auch Geld soll im Murbachtal gedruckt worden sein.

Alle Jahre wieder

Schildbürger aus Holz-Skulptur (Foto: Günther Birkenstock/DW)
Schildbürger von Wilfried BeitzBild: DW/Birkenstock

Als das Paar 1993 mit der Umgestaltung des Geländes begann, musste es hohe Weidenbäume fällen. Übrig blieb viel Holz, das sich gut zum Schnitzen eignete. So machten sich die beiden auf die Suche nach einem Künstler, der ihre Vorstellungen verwirklichen konnte. So fanden sie drei Bildhauer, mit denen ihre erste Ausstellung im Murbachtal entstand. Inzwischen sind es mehr als 70 Künstler, die in der Waldlandschaft ihre Werke ausstellen.

Jedes Jahr im Mai wird der Sinneswald mit einem neuen Thema für eine Saison bis zum Spätherbst eröffnet. Im vergangenen Jahr hieß es "Mythen", dieses Jahr lautet das Thema "Torheiten". Wolfgang Brudes gefällt besonders gut der Schildbürger von Wilfried Beitz, eine mannshohe Skulptur aus Holz. Der Schildbürger trägt mit Eimern das Licht ins Rathaus, in dem man die Fenster vergessen hatte: "Man sieht das an und man weiß sofort, was gemeint ist, mit minimalen Mitteln bei diesem Kunstwerk ist eine große Aussagekraft entstanden."

Kulturort für alle

Waldskulptur hoch (Foto: Günther Birkenstock/DW)
Skulptur von Yvonne Mümo-NeumannBild: DW/Birkenstock

Dreißig- bis vierzigtausend Besucher kommen jedes Jahr in den Sinneswald. Eintritt nehmen seine Besitzer nicht. Stattdessen bitten sie um kleine Spenden. Davon wird der Park mitunterhalten - und auch durch die Mittel eines eigens gegründeten Fördervereins. Doch der atmosphärische Ort mit der im doppelten Sinne künstlerischen Gartengestaltung ist nicht alles. Im Sommer gibt es Open-Air Kino zu sehen, und ein Teil des Wohnhauses wird regelmäßig zu einem öffentlichen Kulturraum. Im Untergeschoss der Mühle befindet sich der ehemalige Maschinenraum der Spinnerei. Heute dienen die 200 Quadratmeter Konzerten, Theateraufführungen und Lesungen. Damit der besondere Ort erhalten bleibt, soll aus dem Sinneswald in der Zukunft eine eigene Kulturstiftung entstehen: ein Geschenk der beiden Initiatoren an die Bevölkerung.

Autor: Günther Birkenstock

Redaktion: Aya Bach