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Kunst als sinnliches Erlebnis

Die Fragen stellte Christine Harjes9. Mai 2006

Von Kandinsky bis Serra in einer einmaligen Ausstellung: Vom 21. Juli bis zum 7. Januar zeigt die Kunst- und Ausstellungshalle Bonn Werke aus der berühmten Guggenheim-Sammlung. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.

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Vincent van Gogh: 'Berge bei Saint-Rémy'Bild: The Solomon R. Guggenheim Foundation, New York
Guggenheim-Ausstellung in Bonn
Projektleiter Kay Heymer mit einem AusstellungsmodellBild: DW/Christine Harjes

Noch nie zuvor wurde die Sammlung der Guggenheim-Stiftung mit ihrer spannenden Geschichte so umfassend präsentiert. Der Aufwand ist riesig: Seit mehr als einem Jahr arbeiten vier Projektleiter - zwei in Bonn und zwei in New York – an einem Konzept und an der Umsetzung der Ausstellung. Kay Heymer ist einer der Projektleiter. Im Interview mit DW-WORLD.DE spricht er über den besonderen Reiz des Guggenheim-Museums, das Ausstellungskonzept und sein ganz persönliches Lieblingswerk.

DW-WORLD.DE: Die Guggenheim-Sammlung gehört zu den berühmtesten der Welt. Was macht das Guggenheim-Museum so erfolgreich?

Kay Heymer: Das Guggenheim-Museum zeichnet sich dadurch aus, dass es ein sehr persönliches Museum ist. Die Sammlerpersönlichkeiten, die zum Aufbau des Museums beigetragen haben, waren alles sehr exzentrische Persönlichkeiten. Das geht mit der Gründungsdirektorin Hilla von Rebay los – einer deutschen Malerin, die sich sehr für gegenstandslose Malerei eingesetzt hat. Später wurde dann der Fokus des Guggenheim-Museums stark erweitert und da haben dann andere Persönlichkeiten eine große Rolle gespielt: einerseits die Direktoren, wie heute zum Beispiel Tom Krens und andererseits Privatsammler wie zum Beispiel das Ehepaar Thannhauser oder später auch die Nichte von Solomon Guggenheim, die glamouröse Peggy Guggenheim, die ja mit ihrem Palazzo in Venedig auch sehr berühmt geworden ist und die sich sehr stark für Surrealismus und den amerikanischen abstrakten Expressionismus eingesetzt hat. Der Charakter des Guggenheim-Museums ist sehr selektiv. Das ist keine Sammlung, die wie ein Lexikon funktioniert, wie zum Beispiel das Museum of Modern Art, in dem man versucht, einen Überblick über die Kunstentwicklung des 20. Jahrhunderts zu geben. Guggenheim hat immer viel subjektiver gesammelt. Man hat sich auf wenige Künstler konzentriert und die dann in großem Umfang gesammelt. So besitzt das Museum allein 160 Arbeiten von Kandinsky, oder über 60 Arbeiten von Paul Klee.

Was zeichnet die Bonner Ausstellung von Werken aus der Guggenheim-Sammlung aus?

Wir haben versucht, bei dem Ausstellungskonzept widerzuspiegeln, wie die Struktur der Sammlung des Guggenheim einerseits entstanden ist und was sie andererseits auszeichnet. Das heißt, wir haben Räume, die sammlungsgeschichtlich zu erklären sind – wie etwa einen Raum "Sammlung Peggy Guggenheim" und der Surrealismus, oder einen Raum Post-Impressionismus, der sich der Sammlung Thannhauser verdankt. Auf der anderen Seite haben wir monografische Räume eingerichtet, also Räume, in denen nur Werke von einem Künstler zu sehen sind. So haben wir einen Raum Picasso, zwei Räume mit Kandinsky, einen Raum mit Robert Rauschenberg und einen Raum nur für Richard Serra.

Warum wurde gerade Bonn und nicht zum Beispiel Berlin wie bei der MOMA-Ausstellung als Ausstellungsort gewählt?

Bonn ist natürlich eine kleinere Stadt als Berlin, aber Bonn hat dafür die größere Kunsthalle. Was Tom Krens hauptsächlich interessiert hat, sind die vielen Quadratmeter, die wir zur Verfügung haben. Besonders die große Halle, in der Tom Krens zum ersten Mal einen Einblick in die sehr große Sammlung an Minimal-Art des Guggenheim-Museum geben kann. Die Guggenheim-Ausstellung hier in Bonn wird sich auf insgesamt fast 8.000 Quadratmeter erstrecken; inklusive des Erdgeschosses im Kunstmuseum (das Nachbarmuseum der Kunst- und Ausstellungshalle Bonn; Anm. der Red.), und so viel Ausstellungsfläche hat die Berliner Nationalgalerie zum Beispiel nicht zu bieten.

Wie wurden die einzelnen Werke für die Ausstellung ausgewählt?

Wir haben mit den New Yorker Kollegen sehr eng zusammengearbeitet. Wir sind dabei von den Räumen, die zur Verfügung stehen, ausgegangen. Wir haben eine Raumfolge entwickelt, also eine bestimmte Architektur aus sehr klaren und einfachen Räumen und haben dann diese Räume konzeptgemäß gefüllt. Wir haben die verschiedenen Teilaspekte, also die Vertiefung auf einzelne Künstler einerseits und andererseits die sammlungsgeschichtlichen und auch die kunstgeschichtlichen Aspekte miteinander kombiniert, um so einen chronologischen Parcours durch die Guggenheim-Foundation zu ermöglichen.

Welches Werk ist Ihrer Meinung nach besonders herausragend?

Guggenheim-Ausstellung in Bonn Richard Serra Strike
Richard Serra: 'Strike'Bild: 2003 Richard Serra/Artists Rights Society, New York

Man kann pauschal sagen, dass wir aus dem Guggenheim-Museum eine große Anzahl wirklicher Meisterwerke bekommen haben. Mir persönlich gefällt der Raum mit Richard Serra sehr gut, wo eine bedeutende frühe Skulptur aus dem Jahr 1970 zu sehen ist. Das ist eine Eisenplatte von sieben Meter Länge und 2,50 Meter Höhe, die acht Tonnen wiegt und bei der es sehr kompliziert sein wird, sie hier ins Haus zu bringen. Die Arbeit hat den Titel "Strike".

Wie sieht das Konzept der Hängung aus?

Grundsätzlich haben wir die Ausstellung chronologisch angelegt, aber es gibt immer wieder andere Erzählebenen, wie etwa die sammlungsgeschichtlichen Räume, in denen die chronologische Kunstentwicklung ein bisschen aufgebrochen wird. Ähnlich ist es auch bei den monografischen Räumen. Wenn wir also so eine Art Mini-Retrospektive von Robert Rauschenberg dazwischen haben, dann sind die frühsten Arbeiten dort aus den frühen 1950er Jahren und das erstreckt sich in die späten 70er Jahre, sodass die Ausstellung insgesamt sich nicht in eine einfache kunsthistorische Abfolge einpressen ließe. Das wäre sicher zu simpel. Es verschränken sich hier mehrere Erzählebenen.

Welche Erfahrung kann der Besucher im Idealfall mit nach Hause nehmen?

Im Idealfall hat er gesehen, wie faszinierend und lebendig die Kunst des 20. und frühen 21. Jahrhunderts ist. Und dass diese Kunst den Betrachter nicht nur mit den Augen, sondern ihn mit dem ganzen Körper einbeziehen und ansprechen kann und dass Kunst ein sehr sinnliches Erlebnis sein kann.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Am buchstäblichsten ist das sicherlich im Labyrinth von Robert Morris der Fall. Das ist eine Arbeit, die neun Meter Durchmesser hat und vier Meter hoch ist. Der Besucher kann dort durch sehr enge Gänge gehen, um dann irgendwann ins Zentrum dieses Labyrinths zu gelangen und er wird sicher 20 Minuten bis zu einer halben Stunde brauchen, um mit dieser Arbeit fertig zu werden. Das wird also auch eine körperliche Herausforderung für den Besucher.

Guggenheim-Ausstellung in Bonn
Robert Morris: 'Labyrinth'Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2006

Eintrittskarten für die Ausstellung können per E-Mail unter callcenter@kah-bonn.de oder telefonisch unter 0800-175 2750 im Vorverkauf bestellt werden.