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Kundus-Ausschuss legt Abschlussbericht vor

27. Oktober 2011

Der Untersuchungsausschuss zum Luftangriff im afghanischen Kundus hat seine Arbeit beendet. Der Abschlussbericht enthält unterschiedliche Bewertungen des dramatischen Geschehens vom 4. September 2009.

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Ein afghanischer Soldat vor einem ausgebrannten Tanklastzug (Foto: dpa)
Ausgebrannte Tanklastzüge, viele Tote nach dem Angriff vom September 2009Bild: picture alliance/dpa

Zwei Jahre lang gruben sich die Abgeordneten durch Akten, befragten Zeugen und stritten oft bis zum späten Abend. Sie setzten das Puzzle einer dramatischen Nacht zusammen, in der der deutsche Oberst Georg Klein einen folgenschweren Befehl gab: Er ließ in der Nähe von Kundus zwei Tanklastwagen bombardieren, die die Taliban in ihre Gewalt gebracht hatten. Zu den Lastwagen waren Bewohner umliegender Dörfer gelaufen, sie wollten anscheinend Benzin abzapfen. Viele von ihnen starben im Bombenfeuer, auch Kinder. Die Bundeswehr geht von insgesamt 91 Toten und 11 Verletzten aus, andere Schätzungen liegen höher.

Der tödliche Luftschlag löste nicht nur Schockwellen innerhalb der Bundeswehr und unter den NATO-Verbündeten aus, er wuchs sich auch zu einer innenpolitischen Affäre aus. Die Kundus-Affäre kostete Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU), einen Staatsekretär und den Generalinspekteur der Bundeswehr ihre Jobs - und führte schließlich dazu, dass der Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde.

41 Zeugen, 339 Aktenordner

Ihn kostete die Kundus-Affäre das Ministeramt: Franz Josef Jung vor dem Untersuchungsausschuss
Ihn kostete die Kundus-Affäre das Ministeramt: Franz Josef Jung vor dem UntersuchungsausschussBild: AP

Das Gremium befragte zwei frühere und einen amtierenden Minister, den entlassenen Generalinspekteur, Beamte und Soldaten. Als Oberst Georg Klein zu seiner Anhörung in den Bundestag kam, wurden die Medien ausgeschlossen. Die Befragung der Bundeskanzlerin war ein Höhepunkt der zweijährigen Ausschussarbeit, brachte aber wenige neue Erkenntnisse.

79 Sitzungen benötigen die Parlamentarier, um alle Informationen zusammenzutragen: Was motivierte Oberst Klein zu seinem folgenschweren Befehl? Warum vertuschten einige Politiker und Militärs die schrecklichen Geschehnisse der Bombennacht? Welche Schlüsse muss die Bundeswehr aus den Fehlern ziehen?

Am Ende unterschiedliche Bewertungen

Nach zwei Jahren Recherche konnten sich Koalitions- und Oppositionsparteien nicht auf eine gemeinsame Bewertung des Vorfalls einigen. CDU, CSU und FDP meinen, Oberst Klein sei kein Vorwurf zu machen, er habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Auch die Opposition betonte, sie verurteile Oberst Klein nicht, beurteile seinen Befehl zum Luftschlag aber als falsch. "Es wurde eindeutig eine Kette von Fehlern gemacht", sagte der Sozialdemokrat Rainer Arnold.

Gab den folgenschweren Befehl: Der deutsche Oberst Georg Klein (Foto: AP)
Gab den folgenschweren Befehl: Der deutsche Oberst Georg KleinBild: AP

Oberst Klein, der von den anwesenden Zivilisten nach eigenem Bekunden nichts gewusst hat, hätte die Lage besser aufklären und sich an die Einsatzregeln der NATO halten müssen, so die Einschätzung der Opposition. "Die angebliche Bedrohungslage bestand in Wirklichkeit nicht", sagte Inge Höger von der Linkspartei. Klein und seine Vorgesetzten hatten den Luftschlag damit gerechtfertigt, dass das nahe Feldlager der Bundeswehr in Gefahr gewesen sei. Der Angriff sei völkerrechtswidrig gewesen, so die Bewertung der Grünen und der Linkspartei.

Parteipolitische Streitereien

Nicht immer stand im Untersuchungsausschuss die Sacharbeit im Vordergrund. Parteipolitische Scharmützel und kleinteilige Geschäftsordnungsdebatten waren an der Tagesordnung. "Eine Katastrophe" sei die Zusammenarbeit mit den Abgeordneten aus den Regierungsparteien gewesen, resümierte der Oppositionspolitiker Omid Nouripour von den Grünen.

Die Opposition unterstellte der Gegenseite, an der Aufklärung kein echtes Interesse zu haben, da die Ergebnisse ein schlechtes Licht auf Politiker aus ihren Reihen werfen könnten. Umgekehrt warfen die Regierungsparteien der Opposition vor, den Ausschuss als politisches Kampfinstrument missbraucht zu haben. Die Opposition habe ihren Politstar beschädigen wollen, den damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Auch er wurde wegen widersprüchlicher Aussagen zum Luftangriff im Ausschuss "gegrillt". Im vergangenen März ist Guttenberg zurückgetreten - allerdings aus anderen Gründen.

Autorin: Nina Werkhäuser
Redaktion: Diana Hodali