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Kulturkampf um die Homo-Ehe

Kersten Knipp5. August 2013

Uruguay erkennt die gleichgeschlechtliche Ehe an. Für die Schwulenrechtsbewegung des Landes ist das ein großer Erfolg. Trotzdem ist sie hier wie auch in anderen Ländern des Kontinents noch nicht am Ziel.

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Ein schwules Paar in Ururguay, Bild vom 19.5.2010 (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Pablo Porciuncula/AFP/Getty Images

Argentinien hat es vorgemacht. Nun folgt - als zweites lateinamerikanisches Land - Uruguay: Dort stimmte das Unterhaus im April der Gesetzesvorlage zur Legalisierung homosexueller Ehen zu - am Montag (05.08.2013) ist das Gesetz nun in Kraft getreten. Und als drittes Land auf dem Kontinent folgte im Mai dieses Jahres Brasilien; dort stimmte im Mai der Nationale Justizrat für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen.

Die Entscheidungen sind das Ergebnis zäher Bemühungen der lateinamerikanischen Schwulenbewegungen. Sie fochten einen jahrelangen Kampf für die Rechte Homosexueller, zum Teil gegen den erbitterten Widerstand der Politik. In Uruguay etwa sind gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zwar bereits seit 2008 anerkannt. Aber der Eheschließung von Schwulen und Lesben wollte das Parlament damals rechtlich noch nicht zustimmen. Als ein homosexuelles spanisch-uruguayisches Paar im Jahr 2010 in Spanien heiratete und die Ehe dann auch in Uruguay anerkennen lassen wollte, wies ein Richter den Antrag ab.

Lange ein totgeschwiegenes Thema

In dem Prozess, den das Paar darauf hin anstrengte, erhielt es schließlich Recht: Im Juni 2012 erkannte ein Familiengericht in Montevideo die Eheschließung des Paares an - auch symbolisch ein großer Erfolg für die Schwulenbewegung des Landes. "Dieses Urteil dreht die uruguayische Rechtsprechung der letzten 40 Jahre um", erklärte nach dem Urteil die Anwältin Michelle Suárez, die ihrerseits als Ikone der uruguayischen Schwulenbewegung gilt: Sie ist die erste transsexuelle Anwältin des Landes.

Die nun erfolgte grundsätzliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Eheschließungen bedeute für viele Homosexuelle eine große Erleichterung, erklärt der an der "Universidad de la República" in Montevideo lehrende Soziologe Carlos Basílio Muñoz Martínez im Gespräch mit der DW. Lange Zeit habe man in der uruguayischen Gesellschaft das Thema Homosexualität totgeschwiegen. Darunter hätten die Betroffenen sehr zu leiden gehabt. "Das änderte sich aber, als die Betroffenen begannen, ihre Lage auf andere Weise zu sehen. Bis zur Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe sprach man von Homosexuellen nur als einer Minderheit. Jetzt sprechen wir aber von Gleichheit."

Die transsexuelle Anwältin Michelle Suarez, Bild vom 2.4.2013 (Foto: EPA)
Ikone der uruguayischen Schwulenbewegung: die transsexuelle Anwältin Michelle SuárezBild: picture-alliance/dpa

Kirchen sträuben sich

In Uruguay, aber auch in Argentinien und Brasilien befindet sich die Homosexuellenbewegung zwischen zwei großen gesellschaftlichen Strömungen. Auf der einen Seite stehen konservative religiöse, oft der katholischen Kirche zugehörige Kreise. Gerade in Uruguay hätten diese sich lange gegen die Anerkennung homosexueller Lebensformen gesträubt, erklärt Boris Diettrich, Leiter des "Lesbian Gay Bisexual & Transsexual Rights Program" der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.

Bei Sondierungsgesprächen vor der Parlamentsabstimmung hätten viele Politiker auf den Widerstand der Kirche gegen das Gesetzesvorhaben verwiesen, sagt Diettrich im Gespräch mit der DW. "Die Politiker sahen sich nicht in der Lage, das Thema homosexuelle Ehe auf die Agenda zu setzen." Dann aber sei diese in Argentinien durchgesetzt worden. "Das ermutigte viele Politiker, das Gleiche auch in Uruguay zu versuchen." Doch es ist nicht nur und nicht überall die katholische Kirche, die sich gegen die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe sträubt. In Brasilien geht der stärkste Widerstand von Politikern aus, die mit den Pfingstkirchen verbunden sind.

Papst Franziskus feiert eine Messe in Rio de Janeiro, Bild vom 28.7.2013 (Foto: AFP/Getty Images)
Ändert sich mit ihm die katholische Haltung? Franziskus, erster Papst aus LateinamerikaBild: Gabriel Bouys/AFP/Getty Images

Das Erbe des politischen Widerstands

Zugleich stehen die Homosexuellenbewegungen in der Tradition jener Widerstandsgruppen, die sich seit den späten 1960er Jahren gegen die damals in vielen Ländern herrschenden Militärdiktaturen bildeten. Deren Kampf, schreiben die Soziologen Mario Pecheny und Rafael de la Dehesa in einer gemeinsamen Studie, "zog eine neue Wertschätzung des Rechtsstaats, der Menschenrechte, der Demokratie und der Gewaltlosigkeit nach sich." Im Zuge dieser kulturellen Neuerung sei dann auch ein neues Bewusstsein für die Rechte der Homosexuellen entstanden.

Und so ist es kein Zufall, dass in Uruguay bedeutende Sozialreformen unter der Präsidentschaft José Mujicas stattfinden. Er verbrachte vor und während der uruguayischen Militärherrschaft (1973-1985) insgesamt 15 Jahre in Haft. Nun fallen in seine Ägide etwa die Entkriminalisierung der Abtreibung und die jüngst beschlossene Legalisierung von Marihuana. Der Soziologe Muñoz Martínez sieht auch das Gesetz zur Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe im Kontext der jüngsten Reformen. "Derzeit ändern viele Menschen in Uruguay ihre Auffassung – auch im Hinblick auf Fragen des Familienlebens. Und das neue Gesetz lädt dazu ein, scheinbar Unmögliches noch einmal zu überdenken."

Uruguays Präsident Jose Mujica, Bild vom 7.5.2013 (Foto: AP)
Im Namen der Freiheit: Uruguays Präsident José MujicaBild: picture-alliance/AP