Klutur hoch drei
11. Juni 2009Man nehme: eine Prise französische Nonchalance, einen Schuss polnische Gastfreundschaft und einen Hauch deutscher Gründlichkeit - et voilá, so funktioniert Völkerverständigung. Seit 1993 wird auf einem Schloss südlich von Berlin auf französisch, polnisch und deutsch diskutiert, gemalt, gelesen, gestritten und gelacht. Die Stiftung Genshagen will das, was sich zwischen Deutschen und Franzosen nach dem Zweiten Weltkrieg so gut entwickelt hat, auch mit den Polen machen.
Nachholbedarf in Sachen Kulturbildung
"Ein polnisches Kind hat es viermal so schwer , an ein Musikinstrument zu kommen, wie ein Gleichaltriger in Deutschland”, sagt der polnische Kulturminister Bogdan Zdrojewski. Gerade in den Ländern des ehemaligen Ostblocks sei im Bereich der Kulturbildung zu kurz gekommen. “Dies gilt es nachzuholen”, meinte Zdrojewski.
Tri-kulturelle Schriftstellerwochen, Theater und Festivals
Mit dem "Weimarer Dreieck", einem Treffen der Außenminister Deutschlands, Polens und Frankreich, wollte man Anfang der neunziger Jahre Polen näher an die EU und die NATO bringen. Die Stiftung Genshagen will rund zwei Jahrzehnte später jedoch "vorpolitisch" arbeiten. Darunter versteht man auf dem Schloss zum Beispiel Schriftstellerwochen und Unternehmertreffen, Theaterworkshops und deutsch-polnisch-französische Kulturfestivals im Schlossgarten.
Europaweit einzigartig
In Europa ist dieser Ansatz einzigartig, denn "Kulturbildung" steht selten auf der politischen Agenda. Die Einrichtung soll ab jetzt für den notwendigen Erfahrungsaustausch zwischen den drei Ländern sorgen und den europäischen Dialog auf der kulturellen Ebene stärker fördern. Deshalb werden jetzt zu den bisher deutschen und französischen Gremienmitgliedern auch polnische hinzu kommen.
Voneinander lernen
Der deutsche Kulturstaatsminister Bernd Neumann, aus dessen Etat die Kulturstiftung in Zukunft 900.000 Euro bekommt, will von den Franzosen und den Polen lernen. “Wenn ich lese, dass in Polen Schulklassen massenweise Museen besuchen oder wenn in Frankreich jetzt in staatlichen Museen der Eintritt für unter 26jährige frei ist, dann sind das für uns gute Beispiele und Anregungen.”
Einen Dialog darüber zu koordinieren und die Probleme in den jeweiligen Ländern bewusst zu machen, soll nun Aufgabe für die Stiftung in Genshagen sein. Mit dem “Zentrum für kulturelle Bildung in Europa” hat die Stätte ein tri-nationales Profil erhalten.
Preise für Musik, Theater und Forschen
Die Stiftung will aber auch motivieren. Gerade hat sie drei Preise verliehen, dotiert mit jeweils 20.000 Euro. Ausgezeichnet wurden das Musikstück "Accompagnato - die Kunst des Begleitens" von der Württembergischen Philharmonie Reutlingen. Hier standen Orchesterprofis mit geistig behinderten Menschen gemeinsam auf der Bühne. Ebenso wurde das Projekt “Forschen in eigener Sache” des Überseemuseums Bremen ausgezeichnet, das Jugendlichen für die Erkundung des eigenen Umfelds begeistert und auf diese Art ihre Identität stärken soll. Das Thalia-Theater Halle war der dritte Preisträger: In ihrem Stück “Opferpopp” waren jugendliche Laien die Hauptdarsteller auf der Bühne.
Stiftung Genshagen wurde ehemals als das "Berlin-Brandenburgisches Institut für deutsch-französische Zusammenarbeit in Europa" gegründet. Seine Initiatoren – die ehemalige Kanzlerberaterin Brigitte Sauzay und der Historiker Rudolf von Thadden – setzten sich für den zivilgesellschaftlichen Dialog zwischen Deutschland und Frankreich ein. Jetzt kommt auch Polen dazu. Die Ideengeber wünschen sich offenbar, dass aus Genshagen eine Art Wiege der kulturellen Bildung im deutsch-französisch-polnischen Europa wird. Eine Chance – nicht nur für das kulturelle Zusammenwachsen Europas, sondern auch für die Politik.
Autorin: Rozalia Romaniec
Redaktion: Elena Singer