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Kroatischer Fußball und der Nazi-Skandal

Srecko Matic 16. Juni 2015

Der kroatische Fußball ist in Misskredit geraten. Das eingebrannte Hakenkreuz auf dem Rasen des Stadions in Split beim EM-Qualifikationsspiel wird Konsequenzen haben. Hat Kroatiens Fußball ein Rassismus-Problem?

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Hakenkreuz auf dem Rasen in Split beim Länderspiel Kroatien gegen Italien am 12. Juni
Bild: imago/Pixsell

#BeProud. Sei stolz. Unter dem populären Hashtag des kroatischen Fußballverbands (HNS) werden üblicherweise Jubelnachrichten verbreitet: sportliche Erfolge der "Feurigen", wie die kroatische Nationalmannschaft genannt wird. In diesen Tagen gibt es aber keinen Grund, stolz zu sein. Nach dem Skandal um das auf den Rasen gebrannte Hakenkreuz beim EM-Qualifikationsspiel am Freitag gegen Italien in Split hat die Europäische Fußball-Union (UEFA) ein Disziplinarverfahren gegen Kroatien eingeleitet. Der Vorwurf: "rassistisches Verhalten". Kroatien erwartet als Wiederholungstäter eine harte Strafe. Es droht sogar der Ausschluss von der EM 2016 in Frankreich.

"Dieser Vorfall ist der Höhepunkt einer jahrelangen Entwicklung. Hier geht es aber nicht nur um eine widerliche Provokation mit einer Symbolik, die die zivilisierte Welt ganz klar ablehnt", meint der kroatische Soziologe Mirko Petric, der an der Universität Zadar lehrt. "Das Hakenkreuz von Split ist die Spitze des Eisbergs. Es ist ein Präzedenzfall, der durch nichts gerechtfertigt werden kann."

"Mafia-ähnliche Strukturen" im kroatischen Club-Fußball

Petric ist fest davon überzeugt, dass dieser Vorfall nicht ausschließlich mit der faschistischen Ideologie in Verbindung gebracht werden sollte. Seit Jahren sind der HNS in Zagreb und die Fans vom Fußballclub Hajduk Split auf Kriegsfuß. Die Hajduk-Anhänger fühlen sich benachteiligt durch die - angeblich gewollte - Vormachtstellung des kroatischen Serienmeisters Dinamo Zagreb. Während die Nationalmannschaft international für Furore sorgen, sei der Club-Fußball in Kroatien von dubiosen Transfers, Mafia-ähnlichen Strukturen und Spielmanipulationen geprägt, erläutert der Kolumnist Dario Dunatov. "Das Hakenkreuz, eines der radikalsten Mittel überhaupt, wurde meiner Meinung nach gezielt eingesetzt, um auf die großen Probleme in dem Fußball-Verband aufmerksam zu machen. Wer auch immer dahinter steckt, hat genau gewusst, wie empfindlich die UEFA auf Rassismus und Faschismus reagiert", sagt Dunatov. "Es war eine kalkulierte Provokation, verbunden mit der Hoffnung, dass sich jemand von draußen den Laden ein bisschen genauer anschaut."

Kroatische Fans beim Länderspiel Italien gegen Kroatien in Livorno, die ein Hakenkreuz bilden (Foto: dpa)
Hakenkreuz-Skandal von 2006: Damals stellten sich kroatische Fans in der Form des Nazi-Symbols aufBild: picture-alliance/dpa/A. Silvi

"Verantwortung übernehmen"

Davor Suker, der Präsident des kroatischen Fußballverbands, gilt als Marionette von Zdravko Mamic, dem mächtigsten Mann im kroatischen Fußball. Dieser ist nebenbei auch Dinamo-Boss. Wollen einige Fans die HNS-Führungsriege stürzen - auch mit solchen Aktionen wie in Split? Sollte das tatsächlich so sein, werde die ganze Nation dabei von einer Handvoll Extremisten in Geiselhaft genommen, beklagt der kroatische Sportjournalist Edo Pezzi: "Das ist eine Schande für Split und Kroatien. Eine Schande ist aber auch das derzeitige Verhalten des nationalen Fußballverbandes. Hier muss man Verantwortung übernehmen. Man darf sich jetzt nicht mehr verstecken."

Pezzi wirft der Verbandsspitze vor, nicht genug getan zu haben, um solche Vorfälle zu verhindern. Nationalistische Ausfälle sind im kroatischen Fußball nämlich zu einer zweifelhaften Tradition geworden. Bei einem Freundschaftsspiel gegen Italien in Livorno im Jahr 2006 stellten sich etwa 200 kroatische Fans in ihrem Block so auf, dass sie ein Hakenkreuz bildeten. 2013 skandierten bei der WM-Qualifikation gegen Serbien Tausende in Zagreb: "Killt die Serben!". 2014 riefen kroatische Fans bei der EM-Qualifikation gegen Italien in Mailand rassistische Parolen.

Nach dem erfolgreichen WM-Qualifikationsspiel gegen Island im Jahr 2013 schrie der ehemalige Bundesliga-Profi Josip "Joe" Simunic im Maksimir-Stadion von Zagreb in ein Mikrofon: "Za dom spremni!" ("Für die Heimat bereit!"). Das war der Gruß der faschistischen Ustascha-Bewegung, die während des Zweiten Weltkriegs unter dem Patronat der deutschen Wehrmacht Tausende Juden, Serben, Muslime und auch andersdenkende Kroaten in Konzentrationslagern umbrachte. Der Gruß ist in Kroatien verboten, die FIFA sperrte Simunic. Doch HNS-Präsident Suker erklärte daraufhin, Kroatien spiele die WM "zu Ehren von Joe Simunic". Wegen rassistischer Angriffe ihrer Fans im Spiel gegen Norwegen im März 2015 hatten die Kroaten übrigens die Begegnung am Freitag in Split vor leeren Rängen austragen müssen.

Mirko Petric, Soziologe aus Kroatien (Foto: DW/R. Drazic)
Mirko Petric: "Eine widerliche Provokation"Bild: DW/R. Drazic

Kann man Suker glauben?

Der Präsident des HNS ist nach eigenen Worten "verbittert" wegen der "Hakenkreuz-Schande". Der Verband habe die Tat verurteilt und werde "daran arbeiten, das Problem zu lösen", so Suker. Kann man dem WM-Torschützenkönig von 1998 Glauben schenken? Er selbst besuchte 1996 das Grab des Ustascha-Führers Ante Pavelic in Madrid und ließ sich dort lächelnd ablichten.

"Jahrelang hat man solche Exzesse toleriert und ignoriert. Die Verantwortlichen haben es versäumt, dieses Verhalten zu verurteilen und sich davon zu distanzieren", kritisiert Dunatov. "Die Botschaft an die Welt ist, dass so etwas hier in Kroatien allgemein akzeptiert sei - so als wäre Kroatien ein faschistisches Land. Das ist es aber nicht."

Dunatov verweist aber auch auf die fehlende Sensibilisierung der kroatischen Gesellschaft, wenn es um nazistisches Gedankengut gehe. Man wisse offenbar zu wenig über diese gefährliche Ideologie. Vor allem der jüngeren Generation werde das nicht vermittelt. Weil Kroatien seit Jahren in der Rezession stecke, sei das Bildungswesen mangelhaft, so der Kolumnist.

Das Fußball-EM-Qualifikationsspiel Kroatien - Italien (Foto: AFP)
Das Spiel gegen Italien fand vor leeren Rängen stattBild: Getty Images/AFP/A. Isakovic

Auch der Soziologe Petric betont, dass Kroatien ganz klar keine faschistische Nation sei. Doch man habe es jahrelang versäumt, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ähnliche Vorfälle seien unter den Teppich gekehrt worden. Man habe regelrecht mit der faschistischen Ideologie kokettiert, so der Soziologe. Jetzt müsse man endlich handeln. "Die kroatische Regierung, das Parlament, alle demokratischen Parteien, der HNS, aber auch die Medien müssen gemeinsam etwas tun. Wir brauchen eine Veränderung. Kroatien ist zwar formell EU-Mitglied. Sollte sich aber nichts ändern, wird es für Kroatien keinen Platz mehr in Europa geben", mahnt Petric.