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Kritik aus Sorge und Verbundenheit

Bettina Marx25. April 2002

Der Bundestag debattierte über die Lage in Nahost. Die Redner bekannten sich zur deutschen Solidarität mit Israel - und sparten nicht mit kritischen Worten. Bettina Marx kommentiert.

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Es gibt in Deutschland einen Grundkonsens über die Beziehungen zu Israel. Alle im Bundestag vertretenen Parteien sind sich einig darüber, dass die Bundesrepublik aus historischer Verantwortung dem Existenzrecht Israels verpflichtet ist. Eigentlich ist das eine solche Selbstverständlichkeit, dass man es gar nicht immer wiederholen müsste - wenn in Israel selbst die Freundschaft zu Deutschland nicht immer wieder aus innenpolitischen Gründen in Frage gestellt würde.

Gerade in diesen Tagen der Krise wird Berlin in Israel gern an den Pranger gestellt, wird Deutschland beschuldigt, Israel in seiner Not nicht ausreichend beizustehen. Daher war es wichtig, dass die Redner aller Fraktionen die historische Verantwortung Deutschlands für Israel erneut unterstrichen.

Doch vor dem Hintergrund der ausweglosen Situation, in die Ariel Scharons Feldzug den Nahen Osten gebracht hat, genügt es nicht mehr, solche Selbstverständlichkeiten auszusprechen. Denn es geht derzeit nicht um die Existenz Israels. Im Moment geht es vielmehr um die Existenz der Palästinenser.

Der jüdische Staat, der von der fünftstärksten Armee der Welt abgesichert und geschützt wird, ist auch durch den schlimmen gewalttätigen Terror der letzten Wochen nicht ernsthaft in seinem Fortbestand bedroht worden. Die Gefährdungen, die diese auch im Bundestag immer wieder beschworene einzige Demokratie im Nahen Osten bedrohen, kommen vielmehr aus den eigenen gesellschaftlichen Widersprüchen und aus der erschreckenden Abkehr Israels von demokratischen Werten und humanistischen Grundsätzen, die in den letzten Wochen deutlich geworden sind.

Diese Überzeugung setzt sich auch im Deutschen Bundestag immer mehr durch. Und trotz der unbestrittenen speziellen deutsch-israelischen Beziehungen wird immer deutlichere Kritik laut, bezeichnenderweise gerade bei denen, die Israel besonders nahestehen, wie der CDU-Abgeordnete Karl Lamers und der SPD-Abgeordnete Christoph Moosbauer.

Auch der bayerische Ministerpräsident und Kanzlerkandidat der CDU/CSU, Edmund Stoiber, scheute sich nicht davor, unangenehme Dinge offen auszusprechen. Er wolle kein Duell mit dem Bundeskanzler über die deutsche Nahostpolitik, sagte er zu Beginn seiner Rede im Deutschen Bundestag. Das sei einem solchen ernsten Thema völlig unangemessen. Dennoch hob sich Stoiber in seiner beachtlichen Rede deutlich von Bundeskanzler Gerhard Schröder ab.

Unmissverständlich machte er zum Beispiel klar, dass es eine Beteiligung deutscher Soldaten an einer möglichen multinationalen Friedenstruppe im Nahen Osten nicht geben könne. Die Union jedenfalls werde eine solche Absicht nicht mittragen. Stoiber setzte damit einer Gespensterdebatte ein Ende, die sich in den letzten Tagen ausgesprochen kontraproduktiv ausgewirkt hat und nicht nur den Bestrebungen zur Beendigung des Konflikts, sondern auch dem deutsch-israelischen Verhältnis schweren Schaden zugefügt hat.

Der SPD-Abgeordnete Christoph Moosbauer hat es in der Debatte zutreffend ausgedrückt: Wer die Politik Jitzchak Rabins unterstützt hat, der kann die Politik Ariel Scharons heute nicht mittragen. Eine solche Position ist nicht anti-israelisch und schon gar nicht antisemitisch. Im Gegenteil: Sie entstammt einer engen Verbundenheit mit Israel und einer tiefen Sorge um das Schicksal des jüdischen Volkes im Nahen Osten und auch bei uns in Deutschland.