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Haftbedingungen

5. Januar 2012

Der Anwalt der verurteilten ehemaligen ukrainischen Regierungschefin spricht von Folter. Die Behörden des Landes weisen alle Vorwürfe zurück. Menschenrechtler fordern internationale Standards einzuhalten.

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Plakat mit einem Portrait von Julia Timoschenko auf einer Straße in Kiew(Foto: AP/dapd)
Julia Timoschenko verbüßt eine siebenjährige HaftstrafeBild: AP

Der Leiter der Strafkolonie Katschaniwka nahe Charkiw, Iwan Perwuschkin, bestätigte am Donnerstag (05.01.2012), dass Julia Timoschenko videoüberwacht wird. Zu diesem Zwecke brenne in ihrer Zelle auch rund um die Uhr Licht, erklärte der Behördenvertreter weiter mit dem Verweis darauf, Videoüberwachung sei "nicht vom Gesetz verboten". Um sie zu gewährleisten, sei "ausreichend Licht" notwendig. Nach Angaben der Behörden sind sämtliche Zellen in der Haftanstalt mit Überwachungskameras und nächtlichem Licht ausgestattet.

Timoschenko mit ihrem Anwalt während des Prozesses in Kiew (Foto: AP/dapd)
Timoschenko mit ihrem Anwalt Sergej WlasenkoBild: dapd

Timoschenkos Anwalt bezeichnete unterdessen die Haftbedingungen in der Strafkolonie als Folter. Timoschenko könne wegen des Lichts in ihrer Zelle nicht mehr schlafen, sagte Sergej Wlasenko. Ihm zufolge leidet Timoschenko darüber hinaus seit Wochen an starken Rückenschmerzen, die sie am Laufen hindern.

Behörden weisen Vorwürfe zurück

Die Justizbehörden erklärten hingegen, einer medizinischen Untersuchung zufolge sei die Politikerin in der körperlichen Verfassung gewesen, in ein anderes Gefängnis verlegt zu werden. Den Vorwurf einer "unwürdigen Unterbringung" der ehemaligen Regierungschefin wiesen die Behörden ebenfalls zurück. Die Zelle der 51-Jährigen entspreche "europäischem Standard". Die Haftanstalt veröffentlichte mehrere Fotos, die angeblich Timoschenkos Zelle zeigen. Darauf sind zwei Betten sowie eine Küchenzeile und ein Sanitärbereich zu sehen.

Die wegen Machtmissbrauchs zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilte ehemalige ukrainische Regierungschefin war überraschend Ende Dezember aus einem Untersuchungsgefängnis in Kiew in eine Strafkolonie im Osten des Landes verlegt worden. Kurz zuvor war ihr Antrag auf Berufung abgelehnt worden. Timoschenko soll während ihrer Zeit als Ministerpräsidentin ihrem Land beim Abschluss von Gasverträgen mit Russland geschadet haben. Die Oppositionspolitikerin sieht sich als Opfer eines politischen Komplotts. Das Urteil wurde auch im Westen als politisch motiviert kritisiert. Darüber hinaus läuft ein weiterer Prozess gegen Timoschenko in Kiew wegen Steuerhinterziehung.


Nicht im Einklang mit internationalen Standards

Der Vorsitzende der ukrainischen Menschenrechtsorganisation "Donezker Memorial", Olexandr Bukalow, sagte im Interview mit DW-WORLD.DE, das Personal der ukrainischen Gefängnisse sei angewiesen, Häftlinge permanent zu überwachen, damit diese keinen Selbstmord begingen. "Meiner Meinung nach entspricht das aber nicht internationalen Standards. Als Folter kann man dies zwar nicht bezeichnen, aber durchaus als ein Mittel, Häftlinge unter Druck zu setzen", so Bukalow.

Portait von Jewhen Sacharow (Foto: Jewhen Scharow)
Jewhen Sacharow spricht von GesetzesverstößenBild: Yevgen Zakharov

Jewhen Sacharow von der Charkiwer Menschenrechtsgruppe ist überzeugt, dass Timoschenko unrechtmäßig in der Strafkolonie festgehalten wird: "Das Gesetz über die vorläufige Haft sieht keine Unterbringung in Strafkolonien von Angeklagten vor, gegen die noch ermittelt wird oder gegen die noch Verfahren laufen." Zudem sei eine ständige Überwachung von Häftlingen vom Gesetz nur in speziellen disziplinarischen Zellen erlaubt, und nur dann, wenn sie im Gefängnis Straftaten begangen haben. Aber auch dort dürfe nach geltendem Recht nachts nur sehr schwaches Licht brennen. Der ukrainische Menschenrechtler sagte, Timoschenkos Haftbedingungen stünden insgesamt nicht im Einklang mit den Standards des Europarates, die vom Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter überwacht werden.


Autor: Alexander Sawizky / Markian Ostaptschuk (dpa, afp, rtr)

Redaktion: Bernd Johann