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Krise in Thailand dauert an

Nicola Glass9. Dezember 2013

Premierministerin Yingluck hat die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen angekündigt. Die Demonstranten fordern eine neue politische Ordnung, die auf Abschaffung des Systems "Ein Wähler, eine Stimme" zielt.

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Bangkok, Proteste der Opposition vom 09.12.2013
Bild: Reuters

Ohrenbetäubendes Pfeifen begleitet die Nachricht des Tages. Aus allen Richtungen der Hauptstadt Bangkok strömen Demonstranten zum Regierungssitz. Sie sind mit den Neuigkeiten nicht zufrieden: Premierministerin Yingluck Shinawatra hatte im Fernsehen verkündet, dass sie das Parlament auflösen und so schnell wie möglich Neuwahlen ausrufen lassen werde. Diese werden voraussichtlich Anfang Februar stattfinden. Doch die Protestler bleiben hart: Sie schwenken weiterhin die thailändische Nationalflagge, blasen Trillerpfeifen und skandieren: "Weg mit der Yingluck-Regierung!"

"Ich pfeife auf die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen!", sagt eine Demonstrantin in weißem T-Shirt und mit einer Hutschleife in den thailändischen Nationalfarben. "Das ist keine Lösung für uns, stattdessen wollen wir, dass der gesamte Shinawatra-Clan aus Thailand verschwindet." Eine Mitstreiterin ergänzt: "Die ganze Regierung ist korrupt und muss weg." Auf die Entgegnung, dass die Yingluck-Regierung im Juli 2011 durch demokratische Wahlen ins Amt gekommen ist, entgegnet sie bloß: "Ja, weil sie die Stimmen der armen Landbevölkerung gekauft hat. Das ist doch keine Demokratie."

Der Thailand-Experte Marco Bünte hält den Stimmenkauf für eine Legende. Es habe Geschenke an die Landbevölkerung gegeben, aber Studien hätten gezeigt, dass die Bauern zwar zum Teil die Geschenke angenommen, dann aber doch ganz frei ihren bevorzugten Kandidaten gewählt hätten. Sein Fazit: "Die herrschenden Machtverhältnisse sind durchaus Ausdruck des Volkswillens, das bedeutet, der Mehrheit der ländlichen Bevölkerung."

Ergebnis der Neuwahlen schon ausgemacht

Wenn demnächst Neuwahlen anstünden, so sagen die Demonstrantinnen, werde doch wieder die jetzige Regierung mit Yingluck an der Spitze gewählt. Sie glauben nicht, dass sie mit ihren Forderungen nach dem Rauswurf der gewählten Regierung eine politische Minderheit im Land darstellen. Sie beharren darauf, "den Willen des Volkes" zu vertreten.

Minsiterpräsidentin Yingluck Shinawatra verkündet im Fernsehen die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen
Ministerpräsidentin Yingluck kündigt Neuwahlen anBild: Getty Images/Afp/Str

Zuvor hatte der Anführer der Proteste, Suthep Thaugsuban, den Montag (09.12.2013) zum "D-Day" ausgerufen: "An diesem Tag geht es um alles oder nichts", hatte er martialisch ausgerufen. "Dies wird die letzte entscheidende Schlacht werden." Wiederholt hatten Suthep und seine Unterstützer erklärt, dass ein Sturz der Regierung von Premierministerin Yingluck Shinawatra nicht genüge. Sie halten Yingluck für eine Marionette ihres 2006 vom Militär gestürzten Bruders, den damaligen Regierungschef Thaksin Shinawatra. Daher haben sie angekündigt, das gesamte "Thaksin-Regime" ausmerzen zu wollen.

Volksrat versus Neuwahlen

Suthep Thaugsuban, gegen den mittlerweile zwei Haftbefehle, darunter einer wegen "Aufruhrs" ausgestellt wurden, schwebt statt Neuwahlen die Errichtung eines nicht gewählten "Volksrates" vor, der die jetzige Regierung für einen nicht genannten Zeitraum ersetzen und eine neue Verfassung ausarbeiten soll.

Faktisch würde dies die Abschaffung des Prinzips "Ein Wähler, eine Stimme" bedeuten, mit dem sowohl Yingluck als auch zuvor ihr Bruder Thaksin deutliche Wahlsiege eingefahren hatten. Ihre Stimmen erhielten sie vorwiegend von der armen Landbevölkerung im Norden und Nordosten sowie den Tagelöhnern in den Städten. Jene Armen stellen die Mehrheit der thailändischen Wählerschaft und waren von anderen Parteien über Jahre vernachlässigt worden.

Opposition lenkt nicht ein

Yingluck hatte wenige Stunden vor dem "D-Day" ein Referendum über die politische Zukunft ihrer Regierung angeboten. Als Bedingung forderte sie, die Opposition müsse sich zur Anerkennung eines Wahlergebnisses verpflichten: "Aber wenn die Demonstranten oder eine politische Partei dieses Vorgehen oder das Wahlergebnis nicht akzeptieren, würde dies den Konflikt nur verlängern."

Anführer der Opposition Suthep Thaugsuban
Oppositionsführer Suthep ruft zum "D-Day!" aufBild: Reuters

Beobachter vermuten, dass es den Gegnern der Premierministerin genau darauf ankommen könnte: So hatte die oppositionelle "Demokratische Partei" (DP) am Sonntag angekündigt, dass all ihre Abgeordneten von ihren Sitzen im Parlament zurücktreten würden. Die Partei könne dort nicht mehr arbeiten, weil das gegenwärtige parlamentarische System keine Legitimität mehr besitze, so die DP, die bei den Protesten kräftig mitmischt.

Dabei weiß Thailands größte Oppositionspartei, die vor allem von der alteingesessenen Mittel- und Oberschicht Bangkoks, dem alten Geldadel sowie konservativen Militärs und Technokraten unterstützt wird, dass sie an den Wahlurnen keine Chancen gegen das Thaksin-treue Lager hat. Die DP, die seit 1992 keine Wahlen mehr gewonnen hat, war in den vergangenen Jahren nur von Ende 2008 bis Mitte 2011 an der Macht. Ins Amt gehievt wurde die DP damals durch politische Ränkespiele: Unter anderem durch Stimmen von Überläufern aus dem Thaksin-Lager sowie durch die Hilfe des Militärs.

Keine Lösung in Sicht

Während sich zurzeit alles auf die Regierungsgegner konzentriert, bleibt abzuwarten, wie sich die Anhänger der Regierung, die sogenannten "Rothemden", mittelfristig verhalten werden: Während der anhaltenden Proteste haben die "Rothemden" mehrfach gefordert, dass Suthep Thaugsuban aufhören solle, "das Land für sich zu kapern". Für Dienstag (10.12.2013) hatten die "Rothemden" ursprünglich eine eigene Kundgebung außerhalb der Hauptstadt Bangkok im rund 80 Kilometer nördlich liegenden Ayutthaya geplant. Nach Bekanntgabe der Neuwahlen wurde sie abgesagt. Neuwahlen seien die beste Lösung angesichts des anhaltenden Konflikts, so ein Sprecher der "Rothemden".

Die politische Dauerkrise in Thailand wird trotz der Auflösung des Parlaments und angebotener Neuwahlen andauern.