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"Waffenstillstand" im Kino

18. März 2010

Der junge Regisseur Lancelot von Naso stellt in seinem Debüt viele Fragen: Wie sollen sich Journalisten und Ärzte verhalten? Doch "Waffenstillstand" funktioniert auch als Road-Movie. Ein Gespräch mit dem Regisseur.

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US-Soldaten mit Filmfiguren - Szene aus Waffenstillstand (Max Ophüls Festival)
Bild: Filmfestival Max Ophuels Preis

Bei einigen Filmfestivals war er schon zu sehen. Lancelot von Nasos Debüt "Waffenstillstand" hat dabei die meisten Zuschauer verblüfft. Da kam ein junger Regisseur, der sich in seinem ersten Film nicht mit Jugendproblemen oder sozialen Dramen, nicht mit Coming-of-age-Geschichten oder Liebeswirrungen junger Leute auseinandergesetzt hat. Von Naso schickt fünf Protagonisten in einem klapprigen Kleinbus von Bagdad ins umkämpfte Faludscha. Die Journalisten und Ärzte wollen von dort berichten und den verletzten Zivilisten helfen. Die dramatische Reise in ein Kriegsgebiet ist stilsicher inszeniert, prominent besetzt (Matthias Habich, Hannes Jaenicke) und setzt bei dem so ernsten Thema auch auf den Faktor Unterhaltung. Jochen Kürten traf Lancelot von Naso zum Gespräch:

DW-WORLD.DE: Herr von Naso, Sie haben in Ihrem Film "Waffenstillstand" gleich mehrere wichtige Themen angeschnitten: Das Verhalten von Ärzten im Krieg, die medizinische Versorgung, ethische Fragen, die Rolle von Journalisten. Haben Sie das ganz bewusst alles in den Film packen wollen?

Lancelot von Naso: Ich finde es generell spannend, wenn verschiedene Themen in einem Film sind. Der Film versucht ja nicht zu sagen: Ich habe die Weisheit mit Löffeln gefressen! Ich möchte niemanden belehren. Ich glaube es ist ein Film, in dem man erst einmal mit den Figuren mitgeht, mit ihnen diese Reise macht - sozusagen als sechster Mitfahrer auf dem Weg von Bagdad nach Falludscha. Das ist einfach spannend. Gleichzeitig aber fand ich es spannend, Fragen zu stellen und Themen aufzuwerfen, die mich selber auch interessieren. Also eine Frage wie: Was nützt Journalismus dort, wenn er dazu führt, dass man zum Schluss 30 Sekunden von einer Autobombe in Bagdad sieht und das jeden Tag über drei Jahre hinweg? Im Grunde genommen könnte man die Nachrichten 2006 und 2009 vertauschen, und kein Mensch würde es merken.

Filmfigur mit erhobenen Händen bei US-Kontrolle - Szene aus Waffenstillstand
Der Arzt (Matthias Habich) geht bei seinen Hilfsaktionen ein großes persönliches Risiko einBild: hofer filmtage

Oder: Ist es richtig und wichtig da zu helfen? Selbst wenn es vielleicht ein großes Risiko ist? Oder: Dürfen wir als Mitteleuropäer einfach weggucken und sagen: OK, das ist das Problem der Amerikaner mit den Irakern? Haben wir da eigentlich eine Verantwortung oder nicht? Wobei ich auch sagen muss, für viele dieser Fragen habe ich auch keine Antwort. Beide Seiten haben irgendwie auch Recht.


Auch die Form Ihres Films war Ihnen offenbar wichtig. Es ist ja mehr oder weniger ein Road-Movie, eine Reise. Es ist eine klassische Kinosituation. Fünf Menschen in einem kleinen eingeschlossenen Körper, in diesem Fall ein Auto. Inwiefern war das für Sie entscheidend für den Film?

Wenn man politische Fragen erörtern will, dann ist natürlich ein Spielfilm eigentlich nicht das richtige Medium. Beim Spielfilm braucht man erst einmal eine filmische Form, die als filmische Form funktioniert. Ich fand es spannend, dass man da eigentlich eine relativ klassische Form hat. Die Protagonisten haben fünf Stunden Zeit, die müssen da rein nach Falludscha und wieder raus. Es gibt Konflikte zwischen den Figuren.

Regisseur Lancelot von naso mit DW-Mikro (Jochen Kürten)
Lancelot von Naso im DW-GesprächBild: DW/Jochen Kürten

Dadurch hat man dann die Chance, das sehr authentisch zu gestalten. Wir mussten nicht in den Szenen erst sagen: Das ist jetzt aber spannend. Wir hatten schon die Form. Wir haben auch versucht echte Menschen zu zeigen. Mit ihren echten Problemen, in diesen echten Situationen. Dadurch entsteht auch eine gewisse Form von Qualität. Das geht aber nur, weil wir eben so eine filmische Form haben, die einfach da ist und in jeder Szene des Films hilft.

Viele Debütanten beschäftigen sich mit Jugendgeschichten oder sozialen Dramen. Sie sagen, das Thema Irak ist Ihnen vielleicht sogar näher als eine Geschichte aus Berlin über Hartz IV-Empfänger. Wie kommt das?

Ich habe mal Politik studiert. Ich habe mal überlegt, ob ich mich vielleicht im Auswärtigen Amt bewerbe. So eine Figur, wie der junge Reporter Oliver, der da hineingeht und versucht seinen ersten großen Coup zu landen, das ist ein bisschen eine Figur wie ich, die versucht den ersten Film zu machen. Wir sind nicht so weit voneinander entfernt. Auch beim Filmemachen stellt man sich Fragen. Es sind genau die Fragen: Wie weit kann ich gehen? Welche Risiken kann man auf sich nehmen? Wie ist meine Verantwortung? Da sind viele Sachen sehr ähnlich.

Innenraum eines Lienbusses mit Filmfiguren - Szene aus Waffenstillstand (Marc Schmineyni)
Klassische Road-Movie-SituationBild: Marc Schmidheiny / WAFFENSTILLSTAND

Und nur weil es im Irak spielt, heißt es ja nicht, dass es nicht auch Fragen handelt, die für uns in Deutschland wichtig sind. Jetzt die Situation in Afghanistan zum Beispiel, ist die gleiche Situation, die wir damals im Irak hatten. Es artet in einen Bürgerkrieg aus und wir wissen eigentlich nicht, was wir da machen sollen. Das sind ja Fragen, die schon sehr zentral auch mit unserer Lebenswirklichkeit verbunden sind. Mir sind die Figuren auf eine Art sehr nahe.

Wie ist der Film bisher angekommen bei den Festivalvorführungen?

Wir haben Publikumspreise in Zürich gewonnen und auch sonst kommt der Film sehr gut beim Publikum an. Ich glaube man merkt, dass viele Menschen mit den Figuren sehr viel anfangen können. Das sind Figuren, die wirklich bis ans Äußerste gehen dafür, anderen Menschen zu helfen. Die Welt ein Stück besser zu machen. Figuren aber auch, die ihre Schattenseiten haben. Ich glaube, das geht den Zuschauern sehr nahe. Und deswegen hat es viel mit uns zu tun.

Das Gespräch führte Jochen Kürten

Redaktion: Jan Bruck