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Krieg auf dem Pressemarkt in Polen

12. Mai 2004
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OPPELN, 11.5.2004, NOWA TRYBUNA OPOLSKA, poln., Wojciech Potocki

Auf dem polnischen Zeitungsmarkt herrscht Krieg. Die schwersten Gefechte werden unter der Boulevardpresse ausgetragen. Bis vor kurzem gab es auf diesem Feld nur einen einzigen Krieger, d. h. die Zeitung "Super Express". Seit Oktober 2003 stürmt jedoch die Zeitung "Fakt" den Markt.

Die Zeitung "Fakt", die vom deutschen Axel-Springer-Verlag herausgegeben wird, hat einen Blitzsieg errungen. Heute verkauft das Blatt die meisten Exemplare auf dem gesamten polnischen Markt. Mehr sogar als die "Gazeta Wyborcza", die 15 Jahre an der Verkaufsspitze des Pressemarktes in Polen stand. In den letzten zwei Monaten nahm aber die Intensivität des Sturmes der Zeitung "Fakt" etwas ab. Im März 2004 wurden etwa 550 000 Exemplare der Zeitung verkauft und - wie man munkelt, weil es offizielle Angaben noch nicht gibt - im April lag der Tagesverkauf sogar unter einer halben Million Exemplare.

Die Zeitung "Super Express" wurde im März von etwa 230 000 Lesern täglich gekauft, d. h. von 16 Prozent weniger als noch im März 2003. Noch vor kurzem verkaufte "Super Express" 300 000 Exemplare.

Ich bin der Ansicht, dass man die Antwort auf die Frage, warum die Zeitung "Super Express" die Fotos der im Irak getöteten Journalisten Waldemar Milewicz und seines Teamkollegen veröffentlicht hat, gerade auf dem Pressemarkt suchen muss.

Die Boulevardzeitung "Super Express" kämpft ums Überleben. Die Chefredaktion hat die Fotos des Leichnams des getöteten Journalisten als Schild genutzt, um sich vor den sinkenden Zahlen und dem Druck des Marktes zu schützen. Die Entscheidung hat einen Sturm von Prostesten hervorgerufen. Der Chefredakteur von "Super Express" , Mariusz Ziomecki, dem die Entscheidung sicherlich nicht leicht gefallen ist, musste scharfe Kritik von den bekanntesten polnischen Journalisten hinnehmen, die jedoch selbst sehr drastische Bilder zeigen. Auch die Zeitung "Fakt" veröffentlichte ähnliche Bilder, obwohl der Chefredakteur, der auch zu den Kritikern gehörte, unehrlich versicherte, dass "er nicht um jeden Preis um Gewinne und Verkaufszahlen kämpfe".

Wenn es den Verfassern des offenen Briefes wirklich um die ethischen Normen im Journalismus geht, dann sollten sie dieselben Maßstäbe bei allen Tabuthemen anlegen. Bei jedem Todesfall und nicht nur beim Tod eines bekannten Journalisten. Das sollte auch dann gelten, wenn es auf dem Medienmarkt einen erbitterten Krieg gibt. (sta)