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Kreml-nahe Partei vor Wahlsieg in Tschetschenien

28. November 2005

Bei der Parlamentswahl in Tschetschenien zeichnet sich ein Sieg der vom Kreml unterstützten Partei "Einiges Russland" ab. Derweil kritisierten Vertreter des Europarats den Wahlverlauf.

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Frauen bei der Stimmabgabe in GrosnyBild: AP

Nach ersten offiziellen Ergebnissen vom Montag (28.11.2005) gewann die Partei "Einiges Russland" etwa 60 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung habe bei 60 Prozent gelegen. Um die 58 Mandate des Zwei-Kammer-Parlaments bewarben sich mehr als 350 Kandidaten. Der moskautreue tschetschenische Präsident Alu Alchanow wertete die Parlamentswahl als "Beweis für die Stabilität der Republik". Alchanow wurde im August 2004 zum Nachfolger von Achmad Kadyrow gewählt, der im Mai 2004 bei einem Bombenanschlag getötet wurde.

Als eigentlicher starker Mann in Tschetschenien gilt jedoch Ramsan Kadyrow, der Sohn des ermordeten Präsidenten. Er führt eine Sicherheitstruppe, der zahllose Entführungen und Raubüberfälle zur Last gelegt werden, und ist maßgeblich an der Ölförderung in Tschetschenien beteiligt. Der Konflikt in der Kaukasusrepublik hat in den vergangenen elf Jahren schätzungsweise 100.000 Menschen das Leben gekostet.

Klima der Angst

Eine Mission des Europarats kritisierte, ein Klima der Angst habe die Abstimmung in der Kaukasusrepublik geprägt. Die Tschetschenen hätten Angst, weil die wirkliche Macht nicht bei den gewählten Institutionen liege, sagte der Leiter der achtköpfigen Beobachterdelegation des Europarats, Andreas Gross, vor Journalisten. In einem solchen Klima könnten kaum wirklich demokratische Wahlen stattfinden.

Parlamentswahlen in Tschetschenien Frau tanzt im Wahllokal
Tanzende Frau im WahllokalBild: AP

Tschetschenien war nach dem ersten Krieg gegen die russische Zentralgewalt von 1994 bis 1996 quasi unabhängig; vor acht Jahren wurde das letzte Parlament gewählt. Im Oktober 1999 marschierten erneut russische Truppen in die Unruherepublik ein. Obwohl der Krieg seitdem offiziell als beendet gilt, sind bis heute Entführungen und Morde an der Tagesordnung.

Nach dem Verfassungsreferendum im Jahr 2003 und zwei Präsidentschaftswahlen misst Moskau der Parlamentswahl hohe Symbolkraft bei: Mit ihr will Präsident Wladimir Putin zeigen, dass Tschetschenien inzwischen eine "ganz normale" Teilrepublik ist. Ensprechend äußerte er sich auch am Tag nach der Abstimmung. "Die Wahlen haben den rechtmäßigen Prozess der Wiederherstellung einer verfassungsmäßigen Ordnung gekrönt", sagte Putin am Montag während einer Kabinettssitzung laut mehreren Nachrichtenagenturen. In Tschetschenien habe ein "wichtiges inneres
Politikereignis" stattgefunden. Das neue Parlament sei die
Volksvertretung einer "legitimen Regierung". Mit Blick auf die nach Unabhängigkeit von Moskau strebenden Rebellen sagte der Kremlchef, es liege noch "viel Arbeit vor uns" bei den Bemühungen, die destabilisierenden Kräfte zu "beseitigen".

Wahl ohne Zwischenfälle

Die Wahl am Sonntag war ohne Zwischenfälle verlaufen. Doch angesichts der immer noch fortdauernden Gewalt in Tschetschenien sprachen russische Bürgerrechtler von einer "Farce". Eine freie Abstimmung sei unmöglich gewesen. Es war die erste Parlamentswahl in der Unruheregion im Nordkaukasus seit 1997. (mik)