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Krauselocke

Lori Herber5. Januar 2014

Zwei junge Frauen gründen eine Website, die aus afrodeutscher Perspektive berichtet. Krauselocke.de ist nicht nur eine Plattform für Haarpflege - die Online-Community ist identitätsstiftend.

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Krauselocke.de Online Community für Afro-Deutsche
Barbara Mabanza (links) und Esther Donkor (rechts) haben Krauselocke.de gegründetBild: Lori Herber

Magdalena Inou, zwölf Jahre alt, hat das strahlende Lächeln ihrer österreichischen Mutter und die krausen Haare ihres kamerunischen Vaters. Die Locken zu einem Pferdeschwanz gebunden, sitzt sie neben ihrer Mutter Sylvia Inou. Der Unterschied ist offensichtlich. "Meine Haare sind anders als die meiner Mutter", stellt das junge Mädchen nüchtern fest. Ihre Mutter fügt hinzu: "Ich habe deutsches Haar, österreichisches Haar, es ist ganz glatt."

Die beiden sind von Wien nach Köln gereist, acht Stunden hat die Fahrt gedauert. In der rheinischen Metropole treffen Mutter und Tochter auf etwa 50 andere Mitglieder der Online-Community Krauselocke.de. Pflegetipps für Magdalenas Haare waren einer der Gründe für die Reise, aber eins war noch wichtiger: Krauselocke soll Magdalena zeigen, dass sie nicht allein ist.

"Sie ist Tänzerin und hat das Konservatorium in Wien besucht", erzählt Sylvia. Natürlich hatten dort alle Mädchen lange, blonde Haare, erinnert sie sich, und ihre Tochter habe oft nachts geweint. "Sie hatte Angst, man ließe sie bei Aufführungen nicht mitmachen - Angst, man wolle nur Haare wie meine."

Krauselocke.de Online Community für Afro-Deutsche
Bei Krauselocke gibt es Haarpflegetipps, Musik und GleichgesinnteBild: Lori Herber

Bis zum vergangenen Sommer bändigte Magdalena ihre Haare in sogenannte "Cornrows", eng am Kopf anliegende geflochtene Zöpfchen. Seit sie die Website Krauselocke.de entdeckt hat, trägt sie ihre Haare offen.

"Krauselocke ist eine Website für Menschen mit lockigem Haar, mit Naturkrause", sagt Esther Donkor, die die Website vor zwei Jahren mit Barbara Mabanza ins Leben gerufen hat. Sowohl in den USA als auch in Großbritannien gibt es Internetseiten mit Haarpflegetipps für Menschen mit krausem Haar und mit Berichten zum Afro-Lifestyle. In ihrer Heimat Deutschland fanden die Journalistin und die Jurastudentin, beide Mitte Zwanzig, jedoch nirgends eine Plattform für Schwarze. Es gebe zwar Vereine und Initiativen, die seien nur nicht so gut vernetzt. "Das heißt, Menschen mit afrikanischen Wurzeln tauschen in Deutschland weniger Informationen miteinander aus als anderswo." Und sie fügt hinzu: "In Deutschland wissen wir, dass wir schwarz sind, aber wir sind eben auch deutsch."

Afrodeutsche Perspektive

Einer der wenigen Salons, die sich auf "Haarkunst nach afrikanischer Tradition" spezialisiert haben, ist Zeebra Tropicana in Köln. In dem Laden prangen Perücken in vielen Farbtönen, an einer Wand stapeln sich Stylingprodukte wie beim Tetris-Spiel über- und nebeneinander: Haargel, -öle und Sprays.

Vor 40 Jahren zog Baaba Yankah-Oduah, die Inhaberin, von Ghana nach Bonn. Damals arbeitete sie bei der ghanaischen Botschaft. Sie und ihre Kolleginnen hatten große Probleme, Produkte und Stylisten für ihre Haare zu finden, erzählt Baaba Yankah-Oduah. Sie seien nach London gefahren, und hätten dort genug eingekauft, um ihren Jahresbedarf abzudecken, erinnert sie sich, während sie einer Kundin das Haar wäscht. Schließlich zog sie nach London, und machte dort eine Ausbildung zur Haarstylistin. Vor 24 Jahren eröffnete die Ghanaerin den ersten Afro-Haarsalon Kölns. Auch heute noch bestellt sie Produkte im Ausland.

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Baaba Yankah-Oduah führt ihren Kölner Salon seit 24 JahrenBild: Lori Herber

Spezielle Technik

Afrohaare seien anders, meint Baaba Yankah-Oduah. Europäische Friseure wüssten nicht so recht, wie sie mit krausem Haar umgehen sollen, da es nicht zu ihrer Ausbildung gehöre. Sie versuchen eher, das Haar zu "zähmen", indem sie es ausdünnen, so die Stylistin.

"Jede Locke ist ein S", erklärt sie. Man müsse aufpassen, das S nicht in der Mitte zu durchschneiden - damit wäre es zerstört. "Man muss die Locke schneiden, wo sich ein neues S formt."

Ihre Haarpflege-Workshops für Kinder werden bei Müttern immer beliebter, stellt Baba fest. Sie bietet spezielle Kurse für deutsche Mütter mit afrodeutschen Kindern. "Das Haar ist eine Wissenschaft für sich. Aber wenn man einmal weiß, wie es geht, ist Afrohaar nicht so schwer zu frisieren."

Schönheitsideale

Manche Frauen unterziehen ihr Haar einem chemischen Prozess, um es zu glätten. Dabei wird nicht nur das Haar angegriffen, warnt Barbara Mabanza. Europäische Haare als Schönheitsideal - das sei auch nicht gut für das Selbstbewusstsein, sagt sie. Sie hofft, dass Krauselocke.de den Frauen mit krausem Haar hilft, ihre natürliche Haarpracht anzunehmen - und insgesamt mehr Normalität schafft.

"Damit keiner mehr fragt, 'Darf ich Dein Haar berühren?' oder es einfach anfasst, ohne zu fragen", erklärt Mabanza. Das komme immer wieder vor, sagen sowohl Barbara als auch Esther. "Manchmal streicheln mir Leute über den Kopf, als sei ich ein Haustier", sagt Donkor. "Das mag ich nicht."

Mehr als Haarpflege

Krauselocke.de Online Community für Afro-Deutsche
Viele Afrodeutsche hatten als Kinder kurze Haare, weil ihre Eltern nicht mit krausem Haar umgehen konntenBild: Lori Herber

Krauselocke gibt nicht nur Haarpflegetipps, auch bei anderen Problemen ist das Forum zur Stelle. Eine Mutter wandte sich an Krauselocke.de, nachdem ein Klassenkamerad ihren Sohn geschlagen hatte, weil er nicht weiß ist.

Die Leute bitten wirklich um Hilfe, stellt Mabanza fest. Sie sind wütend und fragen: "Wie kann ich meiner Wut Ausdruck geben, und wie kann ich meinem Kind helfen?" Andere erzählen dann im Forum von ähnlichen Situationen - und wie sie damit umgegangen sind.

Vernetzung und Kommunikation

Bei Krauselocke geht es eben nicht nur um Haare. "Die Leute sprechen nicht über Haare und Schönheit, sie reden über Rassismus, über Beziehungen, über Essen", so Donkor.

Aus ganz Deutschland und sogar einigen Nachbarländern sind Menschen angereist, um sich beim Krauselocke-Treffen in Köln persönlich kennenzulernen. Für viele spielte Krauselocke bei der Suche nach ihrer Identität eine entscheidende Rolle. Früher habe sie sich mit ihren Haaren nicht so recht wohl gefühlt, meint eine Teilnehmerin. "Meine Hautfarbe ist heute kein Thema mehr, aber als Kind hatte ich etliche fürchterliche Erlebnisse."

Eine andere Frau ist erstaunt, so viele Afrodeutsche zu sehen - Menschen wie sie. "Ich war richtig aufgeregt, als ich ins Zimmer kam, ich habe noch nie so viele ethnisch gemischte Leute und Mädchen mit krausen Haaren auf einmal gesehen." Und sie fügt hinzu, meistens sei sie als Afrodeutsche allein unter lauter weißen Freunden.

Die Mutter von Magdalena, der jungen Tänzerin aus Wien, ist sicher: Die Internet-Plattform hat nicht nur die Frisur ihrer Tochter geändert. Krauselocke hat Magdalenas ganzes Leben geändert und "ihr bei einer sehr schwierigen Selbstfindungsphase geholfen".