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Krank und ohne Papiere

23. März 2009

Wenn illegalisierte Migranten krank werden, können sie nicht einfach zum Arzt gehen, denn es droht die Abschiebung. Nun soll ihnen in Berlin erstmals der Zugang zur medizinischen Versorgung erleichtert werden.

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Für Migranten ohne Aufenthaltsberechtigung kann der Arztbesuch schwere Folgen habenBild: PA/dpa

Fatima Addo lebt seit Jahren ohne Papiere in Deutschland. Die hübsche junge Frau mit den kurzen lockigen Haaren kommt aus Westafrika. Aus welchem Land möchte sie aber nicht sagen und auch ihren richtigen Namen nennt sie nicht. Sie hat Angst, entdeckt und abgeschoben zu werden. "Wenn du ohne Papiere in Deutschland lebst, ist es, als ob du untertauchst", sagt sie. "Es ist sehr, sehr schwer ohne Papiere zurechtzukommen. Und wenn du krank bist, gibt es keine Möglichkeit, zu einem Arzt zu gehen."

Angst zum Arzt zu gehen

Bisher können sich Menschen wie Fatima Addo, wenn sie schwanger sind, eine Lungenentzündung oder Gelenkprobleme haben, nicht einfach untersuchen lassen. An sich bekommen zwar auch illegalisierte Migranten ohne Krankenversicherung die Behandlung vom Sozialamt bezahlt. Doch es herrscht die so genannte Übermittlungspflicht. Das heißt, das Sozialamt informiert die Ausländerbehörde und ihnen droht die Abschiebung. "Das führt dazu, dass Menschen ohne Aufenthaltsstatus Angst haben, zum Arzt zu gehen. Und meistens erst dort hingehen, wenn es kurz vor knapp ist." So würden Krankheiten verschleppt und die medizinische Behandlung werde teurer, als wenn die Patienten rechtzeitig zum Arzt gingen, sagt Benjamin-Immanuel Hoff von der Berliner Linkspartei. Als Staatssekretär für Gesundheit prüft er zurzeit mit einer Arbeitsgruppe die Einführung eines anonymen Krankenscheines, der zumindest für akute medizinische Notfälle gelten soll.

Ein anonymer Krankenschein

Symbolbild Asylrecht, Abschiebung, Asylverfahren, Abschieberichtlinie
Illegalisierte Flüchtlinge leben in ständiger Angst vor einer AbschiebungBild: picture-alliance / dpa

So würde Fatima Addo, wenn sie krank ist, einen nummerierten Krankenschein bekommen. Damit könnte sie zu einem Arzt oder ins Krankenhaus gehen und sich behandeln lassen, erklärt Hoff. Das Krankenhaus würde die Kosten dieses Krankenscheines dann bei einem Sozialamt abrechnen und die Kosten erstattet bekommen. Fünf Millionen Euro würde der anonyme Krankenschein das Bundesland jährlich kosten. Denn alleine in Berlin leben ungefähr 100.000 Menschen ohne Papiere.

In anderen europäischen Ländern ist das Ganze längst Normalität. So gebe es in Italien seit gut zehn Jahren ein ähnliches Modell, sagt Burkhard Bartholome vom Berliner Büro für medizinische Flüchtlingshilfe. Und es funktioniere ganz gut. "Das Gesundheitssystem ist dort ein bisschen anders, aber vom Prinzip her können die Leute dort mit relativ wenigen Angaben so einen Krankenschein bekommen", sagt Bartholome. Auch in Spanien gibt es ein System, wo die Menschen sich lokal bei der Kommune melden können und dann die soziale Gesundheitskarte bekommen.

Wie ein Toter unter den Lebenden

Bartholome hofft, dass sich der Krankenschein auch in Berlin politisch durchsetzen lässt und dann bereits nächstes Jahr eingeführt werden kann. So könne das Modell auch in anderen Bundesländern salonfähig werden. Für die Illegalisierten wäre es jedenfalls eine große Erleichterung, sagt Fatima Addo und lächelt. "Wenn der Krankenschein hilft, wäre das eine tolle Sache! Denn ich habe keine Papiere. Ich bin illegal und habe immer Angst, dass die Polizei kommt und mich festnimmt. Es ist wie ein Toter unter den Lebenden zu sein. Man weiß nicht, was man tun soll."

Autorin: Jana Pareigis/Redaktion: Christine Harjes