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Kosovo: Unabhängigkeit mit Kompromissen oder Autonomie?

Filip Slavkovic / arn25. Oktober 2005

Der UN-Sicherheitsrat hat einstimmig für die Aufnahme von Verhandlungen über die staatsrechtliche Zukunft der südserbischen Provinz Kosovo gestimmt. Es geht dabei um Eigenständigkeit - oder auch nicht.

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KFOR-Soldaten für die SicherheitBild: AP


Ziel der Verhandlungen müsse es sein, ein multi-ethnisches und demokratisches Kosovo zu schaffen, das zur Stabilität in der Region beitrage, heißt es in der UN-Erklärung. Die 15 Mitglieder des Gremiums der Vereinten Nationen folgten mit ihrer Entscheidung einer Empfehlung von UN-Generalsekretär Kofi Annan. Er will noch in dieser Woche einen Sonderbeauftragten ernennen, der in den Verhandlungen vermitteln soll. Dabei werde es sich wahrscheinlich um den früheren finnischen Präsidenten Martti Ahtisaari handeln, sagte Annan.

Der Regierungschef des Kosovo, Bajram Kosumi, begrüßte die Entscheidung vom Anfang der Gespräche über den endgültigen Status der Provinz. "Ein unabhängiges Kosovo wird ein Beispiel einer zivilen Demokratie, der Ko-Existenz und Achtung der Menschenrechte sein", hieß es in einer Erklärung aus der Provinzhauptstadt Pristina.

Schrittweise Selbstverwaltung

Kosovo ist offiziell Teil des Staatenbundes Serbien-Montenegro. Seit dem Ende des Krieges vor sechseinhalb Jahren steht es unter UN-Verwaltung. Im Kosovo wächst der Unmut ob der unsicheren Zukunft - dennoch ist das Ergebnis der Verhandlungen über den Status des Kosovo offen.

Die Lösung, über die man hinter den Kulissen in Brüssel und Washington spricht, heißt: bedingte Unabhängigkeit. Dafür spricht sich zum Beispiel auch die Europaabgeordnete und sicherheitspolitische Expertin der deutschen Grünen, Angelika Beer, aus. "Ich bin überzeugt, dass man dann das Militär - also die KFOR - weiter reduzieren kann. Und ich trete dafür ein, dass die Europäische Union den Bereich der polizeilichen Sicherheit übernimmt",sagte Beer jüngst in einem DW-Interview. "Das heißt: eine Unabhängigkeit minus Unabhängigkeit im militärischen Bereich."

Die UNO-Verwaltung soll die Zuständigkeiten schrittweise an die kosovarische Regierung und Parlament abgeben. Nach einigen Jahren - man rechnet mit drei bis fünf - soll das Land reif für die staatliche Selbständigkeit sein. Gleichzeitig soll eine Beitrittsperspektive zur Europäischen Union entwickelt werden.

Was wollen die Kosovaren?

Aus Sicht vieler Kosovo-Albaner - sie machen 90 Prozent der Bevölkerung aus - ist das überflüssig: Kosovo müsse die staatliche Selbstständigkeit zugesprochen werden, fordern Politiker einheitlich in Pristina. Sie lehnen es ab, dass die Unabhängigkeit an Bedingungen geknüpft wird. Auf die Vorwürfe, die Albaner seien nicht kompromissbereit, antwortete der kosovarische Präsident Ibrahim Rugova Anfang des Monats, dass "für Kosovo die Unabhängigkeit ein Kompromiss" sei, aber "die bestmögliche Lösung für alle Albaner in der Region."

Rugova macht seine Position im internationalen Kontext deutlich. "Wir haben keine Vereinigung mit Albanien verlangt, weil das Probleme schaffen würde. Ein unabhängiges Kosovo würde diesen Teil Europas und der Welt befrieden: Kosovo als Mitglied der EU und der NATO und in ständiger Freundschaft mit den USA", erklärte er. Ein Jahrhundert der Unterdrückung durch Serbien rechtfertige den Anspruch auf Unabhängigkeit, heißt es aus Pristina. Zudem verspricht die kosovarische Regierung den Serben höchste Menschenrechtstandards und Ausbau der Gemeindeselbstverwaltung.

Was sagen die Serben dazu?

Die Regierung in Belgrad weist auf die schwierige Lage der serbischen Bevölkerung hin. Ministerpräsident Vojislav Kostunica machte dies bei der UNO in New York erneut deutlich: Unter keinen Umständen werde Serbien die Unabhängigkeit Kosovos hinnehmen. "Jeder Versuch solcher Lösungen durch de facto Legalisierung der Teilung Serbiens, durch gewaltsame Sezession eines Teiles ihres Territoriums, wäre eine juristischen Gewaltanwendung, nicht nur gegen einen demokratischen Staat, sondern gegen das Volkerrecht als solches", ließ Kostunica wissen. Fehler bei der Festsetzung der staatsrechtlichen Zukunft der südserbischen Provinz Kosovo könnten "langfristige Konsequenzen" für den Balkan und die ganze Welt nach sich ziehen, drohte er in New York.

Belgrad bietet den Kosovaren stattdessen eine weitgehende Autonomie an. Nur die außen-, sicherheits- und finanzpolitischen Kompetenzen sollen Serbien unterstehen. Das wiederum lehnt die Führung in Pristina strikt ab. Um beiden Seiten entgegenzukommen, bietet der Westen Serbien mehr oder weniger offen den Deal "Kosovo gegen EU-Mitgliedschaft" an. Sollte die Regierung in Belgrad bereit sein, Kosovo in die Unabhängigkeit zu entlassen, dürfte sie auf eine beschleunigte Aufnahme hoffen.

Denn - und das betont man zugleich in London, Paris, Berlin und Moskau - es dürfe nur eine Lösung den Siegel der Staatengemeinschaft bekommen, die beide Seiten in den Verhandlungen akzeptieren. Gerade weil die Positionen der Regierungen in Belgrad und Pristina so weit auseinander lägen, sei ein international organisierter Verhandlungsprozess notwendig, betonte der UN-Verwalter für das Kosovo, Sören Jessen-Petersen. "Und je schneller das passiert, umso besser ist das für die Bürger und die Region."