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Kosovo-Teilung: "Unter allen schlechten Lösungen eine mögliche"

16. August 2007

Im Interview mit DW-RADIO bezeichnet Erhard Busek, Koordinator des Balkan-Stabilitätspaktes, eine Teilung des Kosovo als "mögliche Lösung". Vertreter der Kosovo-Kontaktgruppe haben diese Möglichkeit ins Spiel gebracht.

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Erhard Busek: "Ein ewiges UN-Mandat kann nicht die Lösung sein."Bild: dw-tv

DW-RADIO/Albanisch: Herr Busek, wie realistisch ist die Vorstellung einer Teilung des Kosovo angesichts des Widerstandes der Kosovoalbaner?

Erhard Busek: Jeder Kompromiss, der zustande kommt, wird wohl nicht die Zustimmung der beiden Streitparteien erhalten. Aber es bedarf natürlich einer Lösung, mit der man letztlich leben kann. Unter allen schlechten Lösungen ist die Teilung wenigstens eine mögliche. Es gibt nur die Möglichkeit, entweder eine quasi Annäherung zu erreichen oder konflikthaft in die eine oder andere Richtung zu entscheiden mit all den Folgen, die damit verbunden sind.

Welche Perspektive sehen Sie für den jetzigen 120-tägigen Dialogversuch?

Die Perspektive ist ziemlich klar. Wenn es Punkte gibt, wo man sich wenigstens näher kommt, wo sich der Abstand verringert, dann gibt es ja eine Möglichkeit. Es wird kaum eine Lösung sein, bei der man von großen Übereinstimmungen reden kann. Die andere 'Lösung' ist natürlich die, dass es zu einem einseitigen Anerkennungsprozess kommt. Der hat dann allerdings seine eigene Problematik. Das beginnt schon innerhalb der Europäischen Union.

Ist Ihrer Meinung nach eine einseitige Anerkennung nicht machbar oder nicht wünschenswert?

Nicht wünschenswert. Machbar ist alles, denn die Politik ist ja bekanntermaßen die Kunst des Möglichen. Eine einseitige Anerkennung fände ohne die UN statt. Darüber muss man sich im Klaren sein. Davor schrecken natürlich sehr viele zurück – und das mit gutem Grund. Es ist ja auch die Problematik, dass die EU bei der Heranbildung der Institutionen im Kosovo eine bedeutende Rolle spielt – aber auf Basis welchen Mandats soll sie es dann tun? Dort beginnen dann die Folgeprobleme.

Die Kontaktgruppe hatte ja bisher die Teilung Kosovos grundsätzlich abgelehnt. Nun ist aber die Troika selbst von der Kontaktgruppe ernannt worden. Kann sie denn dann von den Prinzipien abrücken?

Auch hier ist wieder die Politik die Kunst des Möglichen. Die Prinzipien sind ja immer wieder genannt worden wegen der 'Parallelfälle.' Ich denke, dass man mal sehr eindeutig feststellen müsste, dass die Kosovo-Frage an sich keine Lösungen für Parallelfälle produziert, sondern ein Unikat als Problemstellung ist. Sie ist ja bisher auch der einzige Fall einer NATO-Intervention. Das hat es ja bisher in dem Sinne nicht gegeben. Insofern ist das Heranziehen von Parallelen äußerst problematisch. Hier ist die Frage mehr auf der Seite des Sicherheitsrates. Es gab ja auch durchaus serbische Positionen, die sich eine Art Teilung unter bestimmten Bedingungen vorstellen konnten. Also insofern wird die Troika schon einen Grund gehabt haben, warum der Vorschlag wieder aufgetaucht ist.

Viele Beobachter haben die bosnische Serbenrepublik als Präzedenzfall angeführt. Sie sehen das nicht so?

Ich sehe hier überhaupt keinen Präzedenzfall, weil hier natürlich eine andere Situation vorlag. Bosnien und Herzegowina war auch unter Tito-Jugoslawien immer eine Teilrepublik. Das hat eine andere gewachsene Tradition. Andererseits hatte ich bislang nicht den Eindruck, dass man in Belgrad so begeistert wäre, wenn man dieses Problem auch noch dazu bekäme.

Im Kosovo ist eine klare geographische Teilung ja gar nicht möglich…

Richtig, das ist eine Mehrheitslösung. Serben in anderen Teilen des Kosovo würden zurückbleiben. Nicht unterschätzt werden sollte, dass dann auch die Albaner im Presevo-Tal Wünsche an Serbien hätten und Grenzkorrekturen einfordern würden. Es ist also auf jeden Fall ein Öffnen der Büchse der Pandora.

Sollte es also in den nächsten Monaten um eine Teilung gehen, müsste all das auf den Tisch kommen?

Ob es auf den Tisch kommt oder nicht, entscheidet letztlich die Politik. Die entscheidende Frage ist: Sind wir in der Lage, beim Kosovo-Problem endlich zu einem vorläufigen Ende zu kommen. Ein ewiges UN-Mandat kann auch nicht die Lösung sein.

Das Interview führte Fabian Schmidt
DW-RADIO/Albanisch, 14.8.2007, Fokus Ost-Südost