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Kosovo-Status: Was will Belgrad?

27. Oktober 2005

Belgrad geht in die Statusgespräche mit der Formel: Mehr als Autonomie, weniger als Unabhängigkeit. Aber was bedeutet das? Ein Experte für ethnische Beziehungen erklärt die Position der serbischen Seite.

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Nicht nur Premier Kostunica beharrt auf serbischen InteressenBild: AP

Die serbische Regierung und die serbischen Institutionen standen häufig in der Kritik, weil sie keine Strategie für die Lösung der Kosovo-Frage entwickelten. Ein Vorwurf: Die Regierung befasse sich lediglich mit bevorstehenden Wahlen und nicht mit einer wirklichen Lösung für dieses schwierige Problem. Dusan Janjic, Vorsitzender des Forums für ethnische Beziehungen, meint auf die Frage, ob Serbien eine klare Strategie für den Verhandlungsprozess verfolgt: „Ich muss sagen, Belgrad zeigt bislang, dass es einige Elemente dieser Strategie hat. Soweit ich es beurteilen kann, wird es auf die Achtung der internationalen Prinzipien bestehen, vor allem auf die Helsinki-Schlussakte einschließlich der territorialen Integrität. Ferner ist offensichtlich, dass Belgrad im Rahmen dieser Strategie glaubt, eine aktive Politik führen zu können, die einen hohen Grad an Autonomie bietet, eine Art Para-Staatlichkeit für das Kosovo. Ein weiterer Teil dieser Strategie ist der Versuch, eine Art Friedensprozess zu bewirken. Das heißt, es wird vermieden, einseitige Lösungen hervorzubringen oder eine Lösung, die relativ schnell Belgrad aufoktroyiert würde“, so Janjic.

Diverse Lösungsmodelle denkbar

Die von Belgrad als offizielle Grundlage für die Lösung der Kosovo-Frage vorgegebene Formel lautet: Mehr als Autonomie, weniger als Unabhängigkeit. Es stellt sich jedoch die Frage, was das nun konkret heißt. Janjic zufolge beinhaltet diese Formel eine ganze Bandbreite von Lösungsmöglichkeiten. „Nun, diese Formel kann viel bedeuten. Unter normalen Umständen könnte sie die erfolgreichste Formel sein. Also eine Formel, die beide Seiten zufrieden stellt. Allerdings fehlt in diesem Fall die Grundlage für einen Kompromiss – die Bereitschaft beider Seiten, diesen Schritt zu tun. Diese Formel kann eine lockere Konföderation, Union und bis hin zu einer hochgradigen Autonomie bedeuten. Meine Kollegen und ich haben diverse Möglichkeiten durchgespielt. Demnach kommen an die 15, 16 rechtsstaatlichen Formen in Frage. Einige davon sind international bekannt wie die Aland-Inseln, die politisch zu Finnland gehören, innenpolitisch aber autonom sind. Einige Modelle sind hingegen spezifisch. In jedem Fall bedeutet diese Formel für Belgrad folgendes: die territoriale Integrität bleibt erhalten beziehungsweise kann nur nach der Helsinki-Schlussakte geändert werden. In einer späteren Phase würde dies beinhalten, dass neue Grenzen vereinbart würden. Ich meine, diese Formel müsste Belgrad ermöglichen, dass die Status-Frage des Kosovo in mehreren Phasen gelöst wird“, erläutert Janjic.

Serbisches Verhandlungsziel: Zwischenlösung?

Die Kosovo-Albaner behaupten, sie würden keiner Lösung zustimmen, die ihnen weniger als Unabhängigkeit einräumt. Dagegen heben offizielle Belgrader Vertreter hervor, das Kosovo müsse im Rahmen der Republik Serbien erhalten bleiben. Welche Ergebnisse erwartet nun die serbische Seite vom Verhandlungsprozess? Janjic zufolge ist es schwierig dazu, Stellung zu beziehen, weil Belgrad dies im Augenblick nicht offen legt. „Es gibt darüber auch keine öffentliche Diskussion. Mir scheint, die aktuelle Regierung möchte, dass das Status-Problem nicht in ihrer Legislaturperiode gelöst wird. Sie wird so verfahren, dass sie die Verantwortung mit der internationalen Gemeinschaft und den Kosovo-Institutionen teilt und versucht, eine Zwischenlösung zu erhalten, also einen künftigen Status, statt des finalen Status“, so Dusan Janjic.

Bahri Cani
DW-RADIO/Albanisch, 24.10.2005, Fokus Ost-Südost