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Kosovo-Präsident: "Keine Lösung gegen den Willen der Mehrheitsbevölkerung"

27. Juli 2006

Im Interview mit DW-RADIO zieht der kosovarische Präsident Fatmir Sejdiu sein persönliches Fazit der Spitzengespräche in Wien.

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Sejdiu überzeugt von kosovarischem KompromisvorschlagBild: AP

DW-RADIO/Albanisch: Herr Präsident, was hat das erste Treffen auf höchster Ebene zwischen den Vertretern des Kosovo und Belgrads Ihrer Meinung nach gebracht?

Fatmir Sejdiu: Es hat eine Konfrontation der Optionen gebracht. Ich kann sagen, dass es für uns eine Gelegenheit war, gegenüber der internationalen Gemeinschaft, die in ihrer Gesamtheit vertreten war durch die Kontaktgruppe, unsere Vision für die Zukunft des Kosovo darzulegen. Die Delegation hat es geschafft, durch Darlegung von vielfältigen Argumenten unser Ziel zu erläutern, dass wir einen unabhängiges Kosovo als modernen und demokratischen Staat wollen, dass wir einen Staat wollen, der die höchsten internationalen Standards erfüllt und einen Staat, der eben genau auf dieser Grundlage einen hohen Respekt durch seine Minderheiten verdient. Die albanische Mehrheit von über 90 Prozent ist sich sehr bewusst, dass sie sich in einem sehr wichtigen Prozess befindet und möchte dazu auch beitragen.

Die serbische Seite hat deutlich gesagt, dass sie keine Lösung akzeptieren kann, die die Unabhängigkeit des Kosovo beinhaltet. Welche Position haben die Vertreter des Kosovo dazu bezogen?

Ich denke, die serbische Präsentation folgt einer Logik, die ein déjà vu hervorruft. Es ist eine Logik, die leider in der Kontinuität von Milosevics Denken steht. Die Absicht dahinter ist es, neue Konfrontationen hervorzurufen. Wir hingegen sagen, dass der Kampf um den Kosovo mit der Intervention internationaler Streitkräfte im Kosovo beendet wurde. Natürlich wurde im Kosovo in dieser Hinsicht auch eine Realität geschaffen. Unser Angebot wird von der Bevölkerung des Kosovo unterstützt und zwar sowohl in der Vergangenheit, im Laufe des Befreiungskrieges und auch jetzt in vielen anderen Aspekten der Regierung durch Selbstverwaltung. Diese Selbst-Regierung wird auch durch die internationale Gemeinschaft unterstützt.

Der serbischen Delegation zufolge sind die Teilnehmer nach Wien gekommen, um einen Kompromiss zu erzielen. Ist auf der Grundlage dessen, was Sie gesagt haben, denn ein Kompromiss möglich?

Es gibt einen Kompromiss, den wir von Anfang an vorgeschlagen haben. Es gibt einen Kompromiss in der Frage, wie wir unsere Minderheiten im Kosovo behandeln. Wir haben ihn beim Treffen dargestellt und auch deutlich gemacht, dass es bereits unsere institutionelle und politische Praxis ist, dass wir wirklich das Ziel verfolgen, die Minderheiten zu fördern und eben auch die serbische Minderheit. Dies tun wir, indem wir ihnen eine politische Vertretung ermöglichen, die ihren tatsächlichen Bevölkerungsanteil um ein mehrfaches übersteigt. Sie haben dadurch einen Zugang, der ihnen ermöglicht, ein aktiver und integrativer Teil des täglichen Lebens zu werden. Dabei ist es natürlich besonders wichtig, dass wir sehr auf ihre Forderungen nach Ausübung ihrer Kultur und Werte Rücksicht nehmen. Dazu gehört der Schutz serbischer Kulturdenkmäler nach den Standards der UNESCO und anderer internationaler Institutionen.

Sind denn die Institutionen des Kosovo überhaupt in der Lage, die Minderheiten zu schützen?

Absolut. Alle Institutionen unterstützen uns dabei, die Interessen aller Bürger zu schützen und zu verteidigen. Natürlich gehören alle Bürger des Kosovo gänzlich dazu. Die territoriale Integrität des Kosovo ist nicht in Frage zu stellen. Sie müssen sich auch die Position der Kontaktgruppe vor Augen halten, die sehr klar ist. Wir unterstützen in diesem Sinne die internationale Gemeinschaft.

Wie würde die kosovarische Seite mit einer konditionalen Unabhängigkeit umgehen?

Ich spreche nicht über Hypothesen. Ich denke nicht, dass es eine Lösung geben kann, die gegen den Willen der Mehrheitsbevölkerung gerichtet ist. Mit voller Überzeugung kann ich sagen, dass der Wille des Volkes universellen Verfassungsrang hat und auch international auf dieser Grundlage eine Kategorie ist. Dies kann man nicht umgehen. Sie wissen, dass wichtige internationale Mächte auch die Position einnehmen, dass dieser Wille respektiert werden muss. Wir haben natürlich als Mehrheitsbevölkerung dabei eine besondere Verantwortung gegenüber den Minderheiten und insbesondere gegenüber der serbischen Minderheit im Kosovo.

Das Interview führte Bahri Cani
DW-RADIO/Albanisch, 24.7.2006, Fokus Ost-Südost