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Kosovo: Prishtinas vernachlässigte Seele

26. November 2009

Prishtina hat in den vergangenen zehn Jahren seit Kriegsende einen Boom erlebt. Die Kehrseite sind Bevölkerungszunahme, städtebaulicher Wildwuchs und eine starke Verkehrsbelastung.

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Prishtina zahlt für den BoomBild: Filip Slavkovic

Die Hauptstadt des Kosovo hat rund 470.000 Einwohner. Sie alle sind Zeugen der gigantischen Bauwut. In den vergangenen Jahren sind allein in Prishtina und Umgebung mehr als 170 Straßen gebaut worden. Es herrscht aber immer noch Verkehrschaos. Und es fehlt ein städtebaulicher Masterplan mit Grünflächen, Schulen, Bürgersteigen, Straßenbeleuchtung und regelmäßiger Straßenreinigung.

Bürgermeister setzt auf Umgehungsstraße

Der alte und neue Bürgermeister von Prishtina ist Isa Mustafa. Bei den Wahlen Mitte November wurde er mit fast 60 Prozent bestätigt. Er verspricht, eine Lösung für das Verkehrschaos in der Hauptstadt zu finden. Eine Umgehungsstraße soll die Verkehrsprobleme lösen: „Wir haben vor zwei Jahren mit den Bauarbeiten begonnen. Wir wollen schon in diesem Jahr einen Teil davon in Betrieb nehmen und im nächsten Jahr mit den Bauarbeiten fertig werden. Dies wird den Verkehr auf den Zufahrtsstraßen nach Prishtina erheblich erleichtern und Staus in der Innenstadt vermeiden. Dennoch wird dadurch das Problem nicht endgültig gelöst, denn die Altstadt zeichnet sich durch enge Straßen aus.“

Beton-Dschungel und Massenarbeitslosigkeit

Kosovo
Blechlawinen im AsphaltdschungelBild: picture-alliance/dpa

Der Schriftsteller Ramiz Kelmendi ist inzwischen 80 Jahre alt. Seit über 60 Jahren lebt er in Prishtina. Er äußert sich besorgt über die hohe Bevölkerungsdichte und die planlos errichteten Bauten. Der alte Mann zweifelt, ob es in der Welt noch eine andere Stadt gibt, die eine derartig ungeregelte Verkehrsführung hat. „Es gibt in Prishtina meiner Meinung nach brutal hässliche Gebäude, die ohne irgendeinen städtebaulichen Plan errichtet worden sind.“ Prishtina sei ein Dschungel willkürlich errichteter Wohnblöcke geworden, meint Kelmendi. Er sei auch mit der Politik in Prishtina unzufrieden: „Niemals haben wir eine derart hohe Arbeitslosigkeit erlebt, niemals haben wir eine derart große Armut gehabt.“ Nicht nur Prishtina, sondern der ganze Kosovo leidet unter der Arbeitslosigkeit. Der junge Staat verzeichnet die höchste Arbeitslosigkeit in Europa: mehr als 45 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung!

Die Seele der Stadt wird vernachlässigt

Aber die Arbeitslosigkeit stellt nicht das einzige Problem dar. Prishtina fehlt es an einer grünen Lunge, an Bäumen, Grünanlagen, Promenaden. Die Luft ist stark verschmutzt. „Jetzt gibt es keinen einzigen Meter Grün mehr. Früher hat es Grünanlagen, eine grüne Lunge gegeben. Heute bieten die Grünanlagen ein Bild des Jammers. Wenn man sie sich ansieht: Sie werden von niemandem mehr genutzt, nur noch von Hunden und Katzen.“ Der Verschönerung der Stadt werde keinerlei Aufmerksamkeit gewidmet, bedauert Kelmendi. Das Grün stelle die Seele einer Stadt dar, sagt der Schriftsteller. In Prishtina lägen aber auch der Verkehr, die Gebäude und die Hygiene in Agonie.

Mehr als Grünanlagen erforderlich

Kosovo Land und Leute Pristina Bill Clinton Avenue
Nicht jede Straße in Pristina ist so chic wie die Bill Clinton AlleeBild: Nikos Pilos

Bürgermeister Isa Mustafa räumt ein, dass das Stadtbild Prishtinas von Beton und Asphalt geprägt ist. Er verspricht, in den kommenden vier Jahren mehr Grünanlagen in der Hauptstadt zu schaffen. „In den vergangenen zwei Jahren haben wir in dieser Hinsicht entscheidende Schritte nach vorne getan. Wir haben viele Grünflächen ausgebaut – allein in diesem Jahr haben wir in der Stadt drei neue Parks angelegt“, so Mustafa. Ziel sei es, dass der Gebäudeanteil nicht mehr als 40 Prozent der Gesamtfläche betrage. Der Rest solle für Grünflächen, Parks, Kinderspielplätze, Parkplätze und weitere Bedarfsflächen verwendet werden, sagt der Bürgermeister.

Autorinnen: Mimoza Cika-Kelmendi / Mirjana Dikic

Redaktion: Birgit Görtz