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Korruption in Kasachstan

10. Februar 2003

– Haben sich kasachische Regierungsmitglieder von US-Erdölgesellschaften bestechen lassen?

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Köln, 8.2.2003, DW-radio / Russisch

Während seines Besuchs in Italien hat der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew an einem Business-Forum teilgenommen, auf dem über die weitere Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern und Investitionen in die kasachische Wirtschaft gesprochen wurde. Die Teilnehmer der Veranstaltung zeigten großes Interesse für den hohen Gast. Bei dem Treffen wurden Nasarbajew jedoch auch empfindliche Fragen gestellt. Teilnehmer des Forums wollten von ihm wissen, ob die Korruptionsvorwürfe gegen die kasachischen Behörden begründet sind. Nasarbajew sagte auf die Fragen der italienischen Geschäftsleute, dass manchmal solche Dinge in der Presse erscheinen würden, aber man sollte sie nicht für bare Münze nehmen. Was die Ermittlungen des amerikanischen Justizministeriums betrifft, so würden sich diese lediglich gegen amerikanische Erdölgesellschaften sowie gegen Beamte und Bürger der USA richten und nicht gegen Kasachstan oder die kasachische Führung. Wie dem auch sei, unsere heutige Sendung ist der Korruption in Kasachstan gewidmet – der Bestechung auf allen Ebenen. Aus Almaty berichtet unsere Korrespondentin Jewgenij Wyschemirskaja:

Staatsbedienstete, unabhängig von ihrem Rang, sind gegen die Krankheit Bestechung nicht immun. Man bietet an und man nimmt entgegen. Wenn man nichts angeboten bekommt, dann fordert man selbst. Auch Kasachstan ist leider von dieser Epidemie betroffen. Hier nur einige Beispiele der vergangenen Wochen:

Die Finanzpolizei im Gebiet Karaganda leitete ein Ermittlungsverfahren gegen Gouverneur Balchasch ein. Der Gouverneur und seine Familie hatten fünf Jahre lang das private Telefon in ihrem Hause nicht aus eigener Tasche bezahlt. Die Gebühren ließ der Gouverneur über den öffentlichen Haushalt laufen. Der ohnehin armen Stadt entstanden durch den gesprächsfreudigen Gouverneur Kosten in Höhe von umgerechnet 2500 Euro.

Bestechung gibt es überall. In Almaty wurde der Leiter eines städtischen Friedhofs festgenommen, als er Bestechungsgeld entgegennahm. Der Polizei zufolge verlangte der Festgenommene von einem Einwohner der Stadt für die Vergrößerung eines Grabstückes Geld.

In Aktob wird ein leitender Arzt des Gesundheitsamtes zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen, da er von einer ehemaligen Mitarbeiterin eine Kuh angenommen hatte. Im Gegenzug sicherte er ihr eine Arbeitsstelle zu.

Übrigens kommen 65 Prozent aller Korruptionsfälle bei denjenigen vor, die sie in erster Linie bekämpfen müssen, und zwar bei Mitarbeitern der Rechtsschutzorgane. Das erklärte jüngst der kasachische Präsident Nasarbajew. Der kasachische Innenminister Kajirbek Sulejmenow betonte vor Journalisten: "Im vergangenen Jahr wurden wegen Amtsmissbrauchs mehr als 500 Mitarbeiter entlassen. Aber das ist wie an einem Fließband: Es kommen neue Mitarbeiter, die sich auch wieder bestechen lassen."

Bestechung des Lehrpersonals in Schulen und Universitäten kommt wahrscheinlich in jedem Land vor. Die kasachischen Studenten haben sich nun ein originelles Mittel zur Bekämpfung der schon zu Routine gewordenen Korruption einfallen lassen. In Aktob findet dieser Tage eine Aktion statt, die sich gegen die Bestechung des Lehrpersonals richtet. Die Reihe von Veranstaltungen steht gemäß dem Ziel unter dem Motto "Semester ohne Bestechung". Während der Aktion sollen Studenten Fragebögen ausfüllen und nach der Umfrage soll eine Bestechungs-Rangliste der Hochschulen des Gebiets Aktjubinsk erstellt werden. Ferner will die Abteilung der Jugendbewegung "Für die Zukunft Kasachstans" in diesem Gebiet eine Webseite einrichten, auf der die Namen der Hochschullehrer veröffentlicht werden sollen, die Bestechungsgelder annehmen. Die Webseite soll noch vor Ende Februar dieses Jahres erscheinen. Jeder Besucher wird dann auf der Seite die Namen nachlesen und auch einen eigenen Beitrag hinterlassen können. Das Bestechungsproblem im Bildungswesen ist auch landesweit zu einem ernsten Thema geworden. In 50 kasachischen Hochschulen soll das Fach mit der Bezeichnung "Grundlagen der Korruptionsbekämpfung" eingeführt werden.

Die internationale Organisation Transparency International stellt der Weltgemeinschaft regelmäßig eine Rangliste mit Ländern vor, auf der die Plätze dem Ausmaß der Korruption in den Ländern entsprechend vergeben werden. Auf der jüngsten Liste befinden sich auch zwei zentralasiatische Staaten – Usbekistan und Kasachstan. Usbekistan liegt auf Platz 68 und Kasachstan auf Platz 88. Nach Ansicht von Transparency International kann man nicht nur davon sprechen, dass die Korruption in diesen Ländern blüht, sie ist dort sogar systematisch. Die Korruption ist in diesen Ländern ein Mittel zum Überleben und sie wird von der Bevölkerung als erforderlich betrachtet.

Die Korruption ist auch Gegenstand wissenschaftlicher Studien. Die University of Texas veröffentlichte vor kurzem ein Buch über die Bestechung in Kasachstan. Es enthält die Ergebnisse von Nachforschungen der Mitarbeiter der Universität, die bis auf das Jahr 1998 zurückreichen. Auch das offizielle Washington ist über das große Ausmaß der Korruption in den zentralasiatischen Ländern besorgt. Aus den USA berichtet unser Korrespondent Jurij Dulerajn:

Der Senat und das Repräsentantenhaus in den USA haben eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, in der die Menschenrechtsverstöße der Regierungen Kasachstans, Usbekistans, Turkmenistans, Kirgisistans und Tadschikistans verurteilt werden. Am meisten sind die amerikanischen Gesetzgeber jedoch über die Lage in Kasachstan besorgt, da dieses Land in Zukunft Erdöl an die USA liefern könnte und derzeit ein wichtiger Verbündeter beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus ist. In der Resolution wird die weitverbreitete Korruption verurteilt. Dem Weißen Haus wird empfohlen, die kasachische Regierung unter Druck zu setzen, damit sie sich an den amerikanischen Ermittlungen über gigantische Bestechungsgelder beteiligt. Washington geht dem in der Resolution des Kongresses genannten Fall nach, da es sich um astronomisch hohe Bestechungsgelder handelt, die Erkenntnissen der Ermittler zufolge höchste kasachische Regierungsvertreter von amerikanischen Erdölgesellschaften entgegengenommen haben. Nach US-Angaben ist auch Präsident Nasarbajew in diesen Fall verwickelt, auf dessen Schweizer Konto amerikanische Erdölgesellschaften 60 Millionen US-Dollar überwiesen haben sollen. Die Grand Jury verlangt von Kasachstan, 300 000 Seiten von Dokumenten in diesem Fall zur Verfügung zu stellen. Die kasachische Regierung lehnt dies jedoch ab und beruft sich dabei auf die sogenannte "souveräne Immunität". Seit zweieinhalb Jahren kommt man in dem Bestechungsfall nicht weiter. Unter den Dokumenten befindet sich auch ein Brief an Larry Thompson, den stellvertretenden US-Justizminister. Darin fordert der von Kasachstan in Washington beauftragte Anwalt, die Ermittlungen einzustellen. Die bilateralen Beziehungen könnten Schaden nehmen, falls die amerikanische Staatsanwaltschaft "weiterhin aggressiv gegen offizielle kasachische Regierungsvertreter ermittelt". In dem Brief heißt es weiter, Kasachstan sei zu einer Zusammenarbeit bereit, aber nur im Tausch gegen eine "formale Zusicherung, dass Präsident Nasarbajew nicht angeklagt wird".

Die Gesetzgeber sind die Meinung, dass die materielle Hilfe für die zentralasiatischen Länder an Zugeständnisse im Bereich der Menschenrechte geknüpft werden soll. Auch wenn die Resolution des Kongresses zu nichts verpflichtet, berücksichtigt das Weiße Haus gewöhnlich die Meinung der Kongressmitglieder. (MO)