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Koreanische Äpfel und Irakische Birnen

Daniel Scheschkewitz6. Januar 2003

In den USA scheinen alle Kräfte auf den Irak-Konflikt konzentriert – aber, ist nicht eigentlich Nordkorea das Land mit der Atombombe? Eine Einschätzung von DW-Korrespondent Daniel Scheschkewitz aus Washington.

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Bedrohung ist nicht gleich Bedrohung - diese schwere Lektion in Politikverständnis muss die amerikanische Öffentlichkeit gleich zu Beginn des neuen Jahres begreifen. Seit Nordkorea sein Atomwaffenprogramm wieder aufgenommen und die Beobachter der Wiener Kontrollbehörde aus dem Land geworfen hat, fragt sich manch einer hierzulande, ob man im Weißen Haus die Prioritäten noch richtig setzt. Wiegt nicht die Bedrohung aus dem kommunistischen Betonstaat viel schwerer als die des erklärten Bösewichts aus Bagdad? Und haben wir nicht seit Jahrzehnten gelernt, dass die eigentliche Bedrohung vom Kommunismus ausgeht?

Für Präsident Bush hieße dies jedoch, koreanische Äpfel mit irakischem Fallobst verwechseln. Denn schließlich ist der Kalte Krieg vorbei und Amerika in einen neuen, den Krieg gegen den Terrorismus verwickelt. Also bereitet man im Weißen Haus den Waffengang an Euphrat und Tigris mit kaum noch aufhaltbarer Dynamik vor, während die nordkoreanische Krise, wenn sie denn überhaupt als solche wahrgenommen wird, in jedem Fall als diplomatisch lösbar bezeichnet wird.

David und Goliath

Zugegeben Bush nennt Kim Jong Il einen Steinzeitkommunisten, der sein eigenes Volk verhungern lässt - doch der Groll des US-Präsidenten scheint weiterhin geradezu obsessiv auf Saddam fixiert, als ob in der Achse des Bösen Supersatan einem Kleinkriminellen gegenübersteht.

Dabei scheint eher das Gegenteil der Fall - während Saddam Hussein, nach allem was man bisher weiß, nur noch über ein paar Scud-Raketen verfügt, halten es Experten für wahrscheinlich, dass Nordkorea schon jetzt über ein bis zwei Atomraketen und auch über die notwendige Abschusskapazität verfügt. Und während der irakische Diktator derzeit wohl kaum in der Lage sein dürfte, in seiner Region größeren Schaden anzurichten, könnte der kommunistische Norden Koreas wahrscheinlich schon jetzt mit seinen Waffen Seoul, die nahe gelegene Hauptstadt des Süden Koreas, in Schutt und Asche legen. Hier aber genau liegt das Problem. Während den Amerikanern die Risiken eines Krieges im Irak als begrenzt erscheinen, wäre ein bewaffneter Konflikt mit Nordkorea weitaus unkalkulierbarer. Dazu kommt, dass niemand im Nahen Osten derzeit maßgeblichen Einfluss auf den Irak ausüben kann, wohingegen in Asien mit Japan, Russland und China gleich drei Großmächte bereitstehen, die auf Nordkorea mäßigenden Einfluss ausüben können. Wie heißt es bei Bushs Verteidigungsminister Rumsfeld so schön? Der Konflikt bestimmt die Koalition und nicht umgekehrt. Washington weiß sich sehr wohl eine strategische Partnerschaft zunutze zu machen bevor es den Weg des strategischen Alleingangs wählt. Theoretisch ist die amerikanische Militärstreitmacht durchaus in der Lage, zwei Kriege gleichzeitig zu führen. Doch dafür müsste es natürlich zum Äußersten kommen. Ein mit der Atombombe jonglierender Kim Jong Il ist davon offenbar weit entfernt, Saddam dagegen, so scheint es, hat den Bogen längst überspannt.