1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Treffen der Systeme

Manfred Götzke1. Oktober 2007

Zum zweiten Mal überhaupt treffen sich die Staatschefs von Nord- und Südkorea zu Friedensgesprächen. Trotz politischer Annäherung und wirtschaftlicher Kooperation: Wiedervereinigung bleibt nach wie vor Utopie.

https://p.dw.com/p/Blha
Bruderkuss zwischen Nord- und Südkorea beim ersten Gipfel 2000Bild: AP

Die Bedeutung des Besuches zeigt sich an der Einreise: Nicht per Staatsjet und Limousine wird der südkoreanische Präsident morgen ins Reich der kommunistischen Diktatur reisen. Sondern zu Fuß. Symbolträchtig wird Roh Moo Hyun den 38. Breitengrad überschreiten, die Demarkationslinie zwischen zwei Systemen, die in den vergangen 54 Jahren der Teilung Koreas erst einmal zuvor ein südkoreanischer Präsident übertreten hat - beim ersten historischen Gipfeltreffen zwischen Nord- und Südkorea vor sieben Jahren.

nordkoreanischer Soldat
Nordkoreanischer Soldat an der DemarkationslinieBild: AP

Drei Tage lang treffen sich mit Kim Jong Il und Roh Moo Hyun nun die Regierungschefs zweier Länder, die sich offiziell seit 54 Jahren im Kriegzustand befinden. Einem zum Glück mittlerweile Kalten Krieg, der nur noch von Zeit zu Zeit bei Grenzstreitereien im Westen der koreanischen Halbinsel aufflammt. Seit 54 Jahren ist die koreanische Halbinsel geteilt, in Nord und Süd, kapitalistisch und kommunistisch. Seitdem haben Millionen Menschen ihre Verwandten nicht mehr gesehen und - anders als in der DDR - nicht einmal per Brief Kontakt halten können.

Abrüstung und Aussöhnung

"Das Treffen ist daher von allergrößter Bedeutung", sagt der Politologe Eric Ballbach vom Koreaverband in Berlin. Denn das wichtigste Ziel des Gipfeltreffens seien Friedensverhandlungen. Laufen die Gespräche gut, könnte am Ende ein Abkommen über Abrüstung und eine weitere Annährung der beiden Systeme stehen. "Die Konfrontationsordnung in Nordostasien muss der Aussöhnung und Zusammenarbeit weichen", sagte der südkoreanische Präsident vor seiner Abreise am Montag (01.10.2007).

Trotz der friedlichen Rhetorik - so euphorisch wie vor sieben Jahren ist zumindest in Südkorea heute keiner mehr. Denn nach dem ersten Gipfeltreffen zwischen Nord- und Südkorea wurde schnell klar: Die Versöhnung braucht Zeit. Von der Aufbruchsstimmung damals ist heute nicht mehr viel zu spüren, sagt der Münsteraner Soziologieprofessor Song Du-Yul. Die Annäherung zeigte sich höchstens in kleinen Schritten: Bilder gingen um die Welt von weinenden Menschen, die sich in die Arme fallen. Betagte Eheleute, die sich zum ersten Mal wieder sehen nach ihrer Hochzeit 1949. Familienzusammenführung für zwei Tage. "Der Schmerz der Trennung ist dabei schlimmer als das Glück des Wiedersehens", sagt Song, der vor vier Jahren seinen nordkoreanischen Onkel Treffen konnte. Ein großes Privileg, dessen ist er sich bewusst. In den vergangenen sieben Jahren haben nicht mehr als 200 Familien Verwandte aus dem Norden sehen können.

Fabrik in der Sonderwirtschaftszone
Näherinnen in einer Fabrik der Sonderwirtschaftszone KaesongBild: AP

Wandel durch Handel

Ein etwas größeres Zeichen der Annährungspolitik zeigt sich ausgerechnet da, wo sich die Systeme am meisten unterscheiden, in der Wirtschaft. Vor fünf Jahren wurde die Sonderwirtschaftszone um die Grenzstadt Kaesong gegründet. Mehr als 100 Firmen aus Südkorea haben sich an der Grenze zu Nordkorea angesiedelt. Die Südkoreaner liefern Kapital und Technik, die Nordkoreaner billige Arbeitskräfte. Mittlerweile ist der südliche Nachbar nach China der zweitwichtigste Handelspartner der "Steinzeitkommunisten", mit einem Handelsvolumen von mehr als einer Milliarde US-Dollar. Auf dem Gipfel könnten die Staatschefs nun über eine zweite Zone dieser Art verhandeln, sagt Soziologieprofessor Song Du-Yul. Und zwar ausgerechnet im Grenzgebiet im Westen des Landes, wo es in den letzten Jahren immer wieder zu Grenzstreitereien kam. "Würde dort eine zweite kooperative Zone entstehen, wäre auch dieser Grenzkonflikt gelöst."

Die Rahmenbedingungen für Verhandlungen zwischen den beiden so unterschiedlichen Nachbarn sind jedenfalls so gut wie lange nicht mehr. Denn Nordkorea scheint die internationale Isolation aufgrund seines Atomprogramms satt zu haben. Am Wochenende hatte sich Nordkorea bei den Sechs-Länder-Gesprächen (Nord- und Südkorea, USA, China, Japan und Russland) darauf eingelassen, seine Nuklearaktivitäten offen zu legen und die Atomanlagen bis zum Ende des Jahres abzuschalten. Vor etwa drei Monaten hatte das Land für die Stilllegung eines ersten Forschungsreaktors 50.000 Tonnen Heizöl bekommen. "Jetzt will Nordkorea mittelfristige Energiesicherheit, aber auch politische Garantien für sein Land haben, wenn es sein Atomprogramm einstellt", sagt Koreaexperte Eric Ballbach.

Einheit ist zu teuer

Forschungsreaktor Yongbyon
Brennstäbe im Forschungsreaktor Yongbyon - mittlerweile abgeschaltetBild: AP

Die Chance auf Wiedervereinigung schätzen die Koreaexperten trotz aller positiven Signale als sehr gering ein - auch weil mächtige Länder kein Interesse daran haben, sagt Ballbach. "China, der wichtigste Handelspartner Nordkoreas, will am Status quo festhalten". Die südkoreanische Bevölkerung hat zudem von der deutschen Wiedervereinigung gelernt, dass die Einheit teuer werden kann. Anders als im geteilten Deutschland ist nämlich in Korea nicht die kommunistische Diktatur Vereinigungsbremser. Die Vereinigung ist in Nordkorea Staatsziel, nach dem Motto: ein Land, zwei Systeme. Der bitterarme Norden kann das wirtschaftliche Know-how des Südens gut gebrauchen.

Die Südkoreaner dagegen haben Angst, dass die Wirtschaft unter der Last des maroden Nordens zusammenbrechen könnte. Nur 60 Prozent der Südkoreaner sind daher überhaupt für die Versöhnungspolitik mit den kommunistischen Nachbarn. Konservative Politiker lehnen jede Annährung strikt ab, da sie befürchten, dass dadurch das kommunistische Regime noch gestärkt werden könnte. Wahrscheinlicher als eine Wiedervereinigung auf koreanisch ist daher ein Annährungsprozess in kleinen Schritten, sagt Koreaexperte Ballbach. Und zwar zuerst wirtschaftlicher Art - das Vorzeigeprojekt der gemeinsamen Wirtschaftszone in Kaesong sei dafür das beste Beispiel. "Die Zeitspanne dafür muss aber in Dekaden und nicht in Jahren gemessen werden."