1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kopflose Handelszone

4. Oktober 2002

Er gilt als zweitreichster Mann in China: der Unternehmer und Gouverneur einer ambitionierten Freihandelszone Nordkoreas, Yang Bin. Nun sitzt er wegen Betrugsverdachts in einem chinesischen Gefängnis.

https://p.dw.com/p/2ip8
Rückschlag für Kim Jong Ils marktwirtschaftliche HandelszoneBild: AP

Der 39-jährige Bin wurde einem Medienbericht zufolge am Freitag festgenommen. Die Behörden werfen ihm "irreguläre Geschäftsaktivitäten" vor, sagte ein Sprecher seines Unternehmens in Shenyang in der nordostchinesischen Provinz Liaoning.

Die Festnahme ist ein Schlag für die ehrgeizigen Pläne Nordkoreas, an der Grenze zu China eine kapitalistische Enklave zu schaffen. Der nordkoreanische Parlamentspräsident Kim Yong Nam hatte Yang Bin Ende September zum Gouverneur der Sonderzone um die 400.000 Einwohner zählende Stadt Sinuiju an der Mündung des Yalu-Flusses ernannt.

Mit Zollfreiheit, geringen Steuern, einem eigenen Rechtssystem und marktwirtschaftlichen Methoden soll die am 12. September genehmigte Zone ausländische Investoren anziehen und Handel, Produktion und Tourismus entwickeln. China hatte die Schaffung der Sonderregion auf der anderen Seite der Grenzstadt Dandong begrüßt, doch war die Ernennung von Yang Bin sehr zurückhaltend aufgenommen worden. Offensichtlich war Peking nicht in das Projekt einbezogen worden, das der Unternehmer als "private Angelegenheit" zwischen ihm und Pjöngjang beschrieben hatte.

Unklare Hintergründe

Am frühen Freitagmorgen habe die Polizei den Unternehmer mit einer Vorladung abgeholt, berichtete sein Sprecher. Yang Bin hatte jüngst eingeräumt, eine Steuerschuld von etwa 10 Millionen Yuan – umgerechnet etwa 1,2 Millionen Euro – noch diesen Monat zahlen zu wollen. Die niederländische Botschaft wurde nicht von der Festnahme unterrichtet, obwohl der Beschuldigte die niederländische Staatsbürgerschaft besitzt.

Die Hintergründe der Polizeiaktion gegen Yang sind unklar. Sie könnte mit der Ankündigung der Regierung in Zusammenhang stehen, dass sie nach ihrem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) härter gegen Steuersünder vorgehen will. Es könnte aber auch mit der nordkoreanischen Sonderwirtschaftszone. Beobachter vermuteten, dass China befürchtet, ausländisches Kapital könnte statt nach China nach Nordkorea gehen.

Konkurrenzkampf

Die Wirtschaftszone Nordkoreas folgt chinesischen Vorbildern wie die Sonderzone Shenzhen an der Grenze zu Hongkong, die Nordkoreas Militärführer Kim Jong Il vergangenes Jahr besucht hatte. Es wird erwartet, dass die Stadt vom Rest des völlig verarmten und hungernden kommunistischen Landes abgetrennt wird.

Das Magazin "Forbes" listete den Unternehmer im vergangenen Jahr wegen seines geschätzten persönlichen Besitzes im Wert von 900 Millionen US-Dollar als zweitreichsten Chinesen auf. Der Unternehmer, der mit Orchideenzucht und Export groß geworden ist und in Landwirtschaftsprojekte in Nordkorea investiert hat, leitet heute ein Geschäftsimperium um seine Euro-Asia Agricultural Holdings.

Bin wurde in Nanjing geborene und verlor im Alter von fünf Jahren seine Eltern. Später studierte er in den Niederlanden und nahm die niederländische Staatsbürgerschaft an, bevor er seine Handelsgesellschaft gründete. Auch das Interesse an Blumen dürfte Yang Bin dort gewonnen haben. (mas)