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Konzept für deutschen Kohleausstieg

Gero Rueter12. Januar 2016

Deutschland braucht für den Klimaschutz den Kohleausstieg. Doch wie kann dieser umgesetzt werden? Die Denkfabrik Agora Energiewende will einen breiten Konsens in der Gesellschaft und liefert dafür ein Konzept.

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Kohlekraftwerk bei Cottbus (Foto: Reuters).
Bild: Reuters

Nach dem historischen Klimaschutzabkommen von Paris geht es nun um die Umsetzung - insbesondere um die Reduzierung der Treibausgase. In Deutschland präsentierte jetzt die Berliner Denkfabrik Agora Energiewende ein umfangreiches Konzept für einen geordneten Rückzug aus der klimaschädlichen Verstromung von Braun- und Steinkohle bis zum Jahr 2040.

Es geht dabei um eine langfristige Strategie. Noch 2016 sollte es deshalb zu einer von Politik und Gesellschaft unterstützen Vereinbarung kommen. "Wir schlagen der Bundesregierung vor, zeitnah einen 'Runden Tisch Nationaler Kohlekonsens' einzuberufen", sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende.

"Dieser sollte - analog zum Atomkonsens - in einem Kohleausstiegs-Gesetz münden, das mit breiter Mehrheit von Bundestag und Bundesrat beschlossen wird", so Graichen.

Dr. Patrick Graichen (Foto: Graichen).
Patrick Graichen will einen breiten Konsens für den Kohleausstieg und liefert mit seinem Team umfangreiches Konzept für die UmsetzungBild: P. Graichen / Agora Energiewende

Kostengünstige Klimastrategie

Damit Deutschland seine Klimaschutzziele einhalten kann - und gleichzeitig die Versorgung mit bezahlbarem Strom sicherstellt - schlägt Agora vor, jedes Jahr drei bis vier Kohlekraftwerke stillzulegen. Damit sollte Deutschland 2018 beginnen; 2040 ginge das letzte Kohlekraftwerk vom Netz. Zudem sollten keine neuen Kraftwerke mehr genehmigt werden und auch keine neuen Gruben für Braunkohletagebaue aufgeschlossen werden.

Das Konzept sieht vor, die Abschaltung der Kohlekraftwerke so kostengünstig wie möglich zu gestalten. Das bedeutet, dass die jeweils ältesten Kraftwerke zuerst abgeschaltet würden, und die Kraftwerksbetreiber keine Prämien für die Stilllegung erhalten. Im Gegenzug sichere es den Energieversorgern aber Planungssicherheit für einige Kohlekraftwerke bis 2040. Die im Zuge des Kohleausstiegs frei werdenden Verschmutzungsrechte - die sogenannten CO2-Zertifikate - sollten zudem nicht mehr für den europäischen Emissionshandel zur Verfügung stehen. Sie werden vom Markt genommen.

Geordneter Strukturwandel

Um die Belastungen für die Braunkohleregionen in Grenzen zu halten, gehören laut Agora auch strukturpolitische Maßnahmen. Die Braunkohlereviere sollten daher mit 250 Millionen Euro pro Jahr aus Steuermitteln gefördert werden.

Es müsse zudem ein Fonds eingerichtet werden, mit dem die Spätfolgen des Braunkohletagebaus finanziert werden. Dafür sollten die Energieversorger eine Abgabe von etwa 0,25 Cent pro Kilowattstunde Braunkohlestrom in den Fonds zahlen. Der Fonds würde so über die Jahre auf mehrere Milliarden Euro anwachsen. "Wir sollten frühzeitig klären, wie wir nach Auslaufen des Kohleabbaus mit der Rekultivierung der Braunkohletagebauen umgehen, sonst kriegen wir später die gleichen Diskussionen wie aktuell bei den Atomrückstellungen", sagt Graichen.

Mit dem Vorschlag könne die "Dekarbonisierung des Stromsystems ausgewogen und fair gelingen", meint Graichen: "Er verlangt von allen Beteiligten etwas, vermeidet jedoch unbillige Härten und setzt auf den Ausgleich unterschiedlicher Interessen. Er gibt Kraftwerksbetreibern, Kohlekumpels und den Regionen Planungssicherheit."

Infografik Strommix in Deutschland 2015 (Grafik: DW).
Derzeit wird noch 42 Prozent des Stroms mit Kohle erzeugt. Für den Klimaschutz ist der Ausstieg erforderlich.

Positive Reaktionen

Das Umweltministerium lobte den Vorschlag als "durchdachte Diskussionsgrundlage". Umweltministerin Barbara Hendricks arbeitet derzeit an einem neuen Klimaschutzplan bis 2050.

Der Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW), der die Kraftwerksbetreiber bzw. Energieversorger vertritt, begrüßt vor allem den Vorschlag für einen breiten Dialog. Die vorgeschlagenen Details zur Umsetzung werden jedoch noch geprüft.

Positiv auf das Konzept reagiert auch die Opposition. "Nur mit einem klaren Ausstiegsfahrplan kann Klimaschutz angesichts der Verpflichtungen Deutschlands im Pariser Abkommen erfolgreich sein. Dafür braucht es einen gut organisierter Strukturwandel in den Kohleregionen. Der Vorschlag von Agora Energiewende ist ein richtiger Weg um Dauerkonflikte zu vermeiden", sagt Oliver Krischer von den Grünen im Bundestag.

Ähnlich sieht es auch Greenpeace. Nach der Klimaschutzkonferenz in Paris muss "die Bundesregierung die Dekarbonisierung der Energiegewinnung in einen gesetzlichen Rahmen bringen", so Energieexperte Niklas Schinerl. "Als oberster Leitlinie für einen Konsens muss das Ergebnis von Paris stehen, nämlich die Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad, möglichst auf unter 1,5 Grad."