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Konjunktur-Plus unter Vorbehalt

Sabine Kinkartz18. April 2013

Deutschland geht es gut und das wird nach Ansicht führender Wirtschaftsforscher auch so bleiben. Das Frühjahrsgutachten ist allerdings mit einem großen "Aber" versehen. Alles hängt davon ab, wie es in Europa weitergeht.

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Joachim Scheide, Roland Döhrn, Kai Carstensen, Axel Lindner und Oliver Holtemöller stellen die Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute fürs Frühjahr 2013 vor (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Eurokrise, Schuldenkrise, Wachstumskrise, Bankenkrise, Zypernkrise - ohne diese Begriffe kommt seit Jahren kein Konjunkturbarometer mehr aus. Da macht auch die 81 Seiten lange Gemeinschaftsdiagnose der acht führenden Wirtschaftsforschungsinstitute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz keine Ausnahme. Fünf Professoren und Doktoren waren an diesem Donnerstag (18.04.2013) eigens nach Berlin gekommen, um ihr Werk zu erläutern.

Die Bestandsaufnahme war schnell gemacht. Deutschland steht gut da und daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) erklärt, die Bedingungen für "einen kräftigen Anstieg" der gesamtwirtschaftlichen Produktion seien gegeben. Die Zinsen seien niedrig und die Konditionen für die Kreditvergabe günstig. "Ferner ist die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen aus den Weltmärkten hoch, und sie verfügen über eine hohe Präsenz in wachstumsstarken Schwellenländern Asiens."

Konjunkturexperten sehen langsame Erholung

Konjunktur auf Erholungskurs

Die Institute gehen davon aus, dass sich das deutsche Bruttoinlandsprodukt von 0,8 Prozent in diesem Jahr auf 1,9 Prozent im kommenden Jahr verdoppeln wird. Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland werde voraussichtlich weiter zurückgehen und von durchschnittlich 2,9 Millionen in diesem Jahr auf im Schnitt 2,7 Millionen im nächsten Jahr sinken. Die Inflationsrate sehen die Experten bei zwei Prozent.

Den übrigen Ländern im Euroraum geht es wirtschaftlich deutlich schlechter. Insgesamt sei die Lage aber zumindest stabil. "Die Wirtschaftspolitik hat sich in der weltweiten Finanzkrise und in der europäischen Schulden- und Vertrauenskrise mit allerhand geld- und finanzpolitischen Maßnahmen Zeit gekauft", so Holtemöller. Auf diese Weise sei es gelungen, die wirtschaftlichen Aussichten im Euroraum vorerst zu stabilisieren. "Dies sollte jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass zentrale, für die Krise ursächliche Probleme noch nicht gelöst worden sind."

Reformenbedarf bleibt

Da ist sie wieder, die Krise und die ständig präsente Frage, welches der Königsweg sein könnte, um aus ihr heraus zu kommen. Mit dem Stein der Weisen können auch die fünf Ökonomen nicht dienen, nur so viel, das macht Kai Carstensen vom ifo-Institut in München klar, ist sicher: "Wenn es wirklich zu größeren Turbulenzen kommt, wenn man den Glauben daran verliert, dass die Euro-Länder überhaupt den Weg der Strukturreformen weitergehen, dann wird es natürlich ganz schwierig. Dann werden die Turbulenzen groß, auch wenn wir natürlich nicht sagen können, wie schlecht es dann um die europäische Konjunktur bestellt ist."

Der Reformeifer der Euro-Krisenländer dürfe nicht nachlassen, so lautet die klare Botschaft der Wirtschaftsforscher. Viele Staaten hätten in den vergangenen Jahren zwar Fortschritte hin zu tragfähigen Staatsfinanzen und einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft gemacht, insgesamt verlaufe der Anpassungsprozess aber recht zäh und werde wohl auch noch geraume Zeit in Anspruch nehmen.

Chaos in Zypern

Als europaweit besonders wichtig stufen die Ökonomen den Aufbau einer Bankenunion ein. Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung betont, der Fall Zypern habe gezeigt, dass es unbedingt berechenbare und glaubwürdige Regeln für die Reaktion auf finanzielle Schieflagen bei Banken und auch Staaten im Euroraum geben müsse. Der Prozess um die richtige Beteiligung der Gläubiger an der Zypern-Rettung sei chaotisch gewesen. "Als es um die Bankenrettung in Zypern ging, da sagte jemand zu uns, dass man ja nicht wisse, ob Zypern systemrelevant sei, ausprobieren wolle man es aber auch nicht. Das ist ja die Schwierigkeit, in der man sich befindet. Man tastet sich von Fall zu Fall vor und das ist für die Dauer auch sicherlich kein erfreulicher Zustand."

Von den Forderungen vor allem aus den Krisenländern, Deutschland müsse sich bei den Rettungsbemühungen finanziell stärker engagieren, halten die Wirtschaftsforscher nichts. Die "Verwundbarkeit" der Bundesrepublik sei durch die Übernahme von Garantien über den europäischen Rettungsschirm ESM ohnehin schon deutlich gestiegen. Dazu komme der demografische Wandel in Deutschland. Angesichts einer alternden Bevölkerung seien die Sozialkassen und damit auch der Bundeshaushalt spätestens ab 2020 "erheblichen Belastungen" ausgesetzt. Dafür müsse ein finanzieller Puffer geschaffen werden. Deutschland helfe Europa daher am meisten, wenn es seinen Staatshaushalt noch besser in den Griff bekomme.