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Komponist György Ligeti gestorben

12. Juni 2006

Einer der bedeutendsten Komponisten der Gegenwart ist tot. György Ligeti erhielt viele Auszeichnungen und war unter Kennern berühmt für seine teils suggestive, teils mechanisch wirkende Musik.

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Bild: AP

Der aus Ungarn stammende Musiker und Hochschullehrer starb am Montag (12.6.2006) in Wien im Alter von 83 Jahren nach langer, schwerer Krankheit. Dies berichtete die österreichische Nachrichtenagentur APA unter Berufung auf Ligetis Musikverlag Schott Music. Ligeti, der auch lange in Hamburg lebte und lehrte, war Träger der renommiertesten internationalen Musikauszeichnungen. Dazu zählen der japanische Praemium Imperiale, der Balzan-Preis, der Ernst-von-Siemens-Musikpreis, der Musikpreis der Unesco, der Kyoto-Preis und der schwedische Polar- Musikpreis.

Nähere Angaben zum Tod Ligetis wolle seine Familie nicht verbreiten, sagte ein Sprecher des Schott-Music-Verlages. Ligeti hatte bereits die Ehrungen anläßlich seines 80. Geburtstags im Jahr 2003 im Rollstuhl empfangen. Die Stadt Frankfurt am Main ehrte ihn damals mit dem Adorno-Preis, 2005 folgte noch der Frankfurter Musikpreis für sein Lebenswerk.

Viele Talente

Der Musiker zählte nicht nur zu den herausragenden zeitgenössischen Komponisten, sondern auch zu den Analytikern moderner Musik. Der internationale Durchbruch gelang ihm 1961 mit dem Orchesterstück "Atmospheres" beim Festival Neuer Musik in Donaueschingen.

Ligeti wurde am 28. Mai 1923 in einer Kleinstadt in Siebenbürgen, das seit 1920 zu Rumänien gehört, geboren. Fast seine gesamte Familie - Ligeti war jüdischer Herkunft - wurde von den Nationalsozialisten ermordet. Sein Vater kam im Konzentrationslager Bergen-Belsen um, sein jüngerer Bruder im KZ Mauthausen. Ligetis Mutter überlebte das Lager Auschwitz-Birkenau.

György Ligeti wuchs in Klausenburg in Siebenbürgen auf, besuchte die ungarische Volksschule und das rumänische Gymnasium. 1936 erhielt er ersten Klavierunterricht und versuchte sich bereits ein Jahr später an eigenen Kompositionen. Bereits 1939 schrieb er eigene Symphoniesätze. Er studierte Musiktheorie und Komposition, zeitweise auch Volksmusikforschung in Budapest, wo er von 1950 bis 1958 auch als Dozent tätig war.

Von Köln nach Hamburg

Nach dem Ungarn-Aufstand floh Ligeti 1956 nach Wien. 1957 bis 1969 war er freier Mitarbeiter im berühmten Studio für elektronische Musik des Westdeutschen Rundfunks in Köln. Ligeti arbeitete mit Avantgarde-Komponisten wie Boulez, Stockhausen oder Nono zusammen. Mehrere Jahre lebte Ligeti in Wien, lehrte nebenbei an den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik, war Gastprofessor an der Stockholmer Musikhochschule und wirkte auch in Berlin. Von 1973 bis zu seiner Emeritierung 1989 leitete er eine Kompositionsklasse an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater.

Unverständnis

Charakteristisch für Ligetis Musik sind nach Einschätzung von Experten die so genannte Klangflächenkomposition als Ergebnis seiner kritischen Auseinandersetzung mit der seriellen Musik und zum anderen die "Mikropolyphonie, einer Stimmverflechtung auf engstem Raum. Zu einem Triumph für den Komponisten wurde bei den Salzburger Festspielen 1997 die zweite Uraufführung seiner einzigen Oper "Le Grand Macabre".

Die Struktur seiner suggestiv wirkenden Musik führte Ligeti in Interviews auf Bilder aus Kindheitsträumen zurück, in denen er sich auch ein Fantasieland namens "Kylviria" mit allen Einzelheiten ausmalte. Die Vision seiner neuen Musik sei ihm lange vor seiner Flucht in den Westen wie eine Erleuchtung in einer Nacht 1950 in Budapest erschienen. Auch die Idee einer mechanisch tickenden Musik, die ihn seit frühester Jugend verfolgte, realisierte er in seinem "Poème symphonique" für 100 Metronome, dessen Uraufführung 1963 in Hilversum auf Unverständnis beim Publikum stieß und nahezu einen Skandal auslöste. Im Laufe der 1970er-Jahre wurde Ligetis Kompositionsstil nach Kritikermeinung durchsichtiger und melodischer. (mas)