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Kommt Nachrüstung für alle Diesel-PKW?

26. April 2017

Viele Diesel-PKW stoßen mehr Stickoxid aus, als sie dürften: Die Luft ist in vielen Städten zu schlecht, es drohen Fahrverbote. Umweltminister fordern jetzt eine Nachrüstung, die Bürger und PKW-Besitzer schützen soll.

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Archivbild Symbolbild Volkswagen im Krisenmodus
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Die Luft ist in vielen Städten sehr schlecht und belastet die Gesundheit der Bürger. Die festgelegten Grenzwerte für giftige Stickoxide (NOx) in der Luft werden regelmäßig um ein Vielfaches überschritten. Dazu tragen auch Diesel-PKW bei, deren Abgasreinigung nicht ordnungsgemäß funktioniert.

Nach aktuellen Messungen des Bundesumweltamtes (UBA) stoßen die neusten Diesel-Pkw, die nach der Norm Euro 6 zertifiziert sind, sechsmal mehr NOx aus als erlaubt. Die etwas älteren Fahrzeuge mit Euro-5-Plakette, die zwischen 2011 und 2015 verkauft wurden, fünfmal zu viel.

Um die Bürger vor dem Gift zu schützen und die Konzentration von NOx in der Luft auf das erlaubte Maß zu senken, drohen viele deutsche Städte nun mit Fahrverboten für Diesel-PKW. Zahlreiche Gerichtsurteile bestätigen das Recht auf saubere Luft, fordern Maßnahmen von der Politik und setzen die Kommunen zunehmend unter Druck. Hinzu kommt ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Deutschland wegen anhaltender Überschreitung der Grenzwerte für Luftqualität mit hohen Strafzahlungen.

Infografik Mehr Stickoxide als erlaubt bei PKWs

Umweltminister fordern Nachrüstung von Diesel-PKW

Jetzt hat Nordrhein-Westfalens Umwelt- und Verbraucherministerium ein umfassendes Konzept zum Schutz der Bürger, aber auch der Besitzer von Diesel-PKW vorgelegt. Kernstück des Vorschlags ist ein "Ausgleichs- und Entschädigungsfonds", in den die Hersteller von illegalen Abschalteinrichtungen rund 15 Milliarden Euro einzahlen und damit die Nachbesserung der Abgasreinigung von mehreren Millionen Dieselfahrzeugen in Deutschland finanzieren sollen.

Strompreise Johannes Remmel
Johannes Remmel sieht Automobilindustrie in der PflichtBild: picture-alliance/dpa

Nach Ansicht von NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Bündnis90/Grüne) wurden die Käufer von den Autokonzernen getäuscht und seien daher nicht verantwortlich für die Manipulationen. Dennoch hätten sie bei Dieselfahrverboten den wirtschaftlichen Schaden.

"Daher müssen die Automobilkonzerne endlich von der Bundesregierung in die Pflicht genommen werden", betont Remmel und kritisiert gleichzeitig die bisherige Untätigkeit der Bundesregierung beim Abgasskandal. "Wir müssen alles tun, um die Gesundheitsbelastung der Menschen in den betroffenen Städten deutlich zu reduzieren."

Die Kosten für die Nachbesserung liegen nach Angaben von NRW bei etwa 1500 Euro pro Fahrzeug. In den Fällen, in denen eine Nachbesserung technisch nicht möglich ist und nicht zu einer ausreichenden Schadstoffreduktion führt, sollten Käufer einen Anspruch auf Rückgabe der Dieselfahrzeuge haben und auf einen Schadensausgleich von bis zu 3000 Euro.

Umfassende Nachrüstung erforderlich

Berlin Bundestag Umwelt Ministerin Barbara Hendricks zu Klimaabkommen
Barbara Hendricks fordert umfassende NachbesserungenBild: Getty Images/AFP/O. Andersen

Bundesumweltminister Barbara Hendricks (SPD) sieht ebenfalls die Autoindustrie in der Pflicht. "Ich erwarte von der Automobilwirtschaft, dass sie die Fahrzeuge nachbessert. Das betrifft vor allem Euro-5-, aber auch Euro-6-Fahrzeuge", so Hendricks. "Es muss klar sein, dass die Hersteller die kompletten Kosten tragen und dem Halter dadurch keine Nachteile entstehen dürfen."

Nach Berechnungen des Umweltministeriums helfen auch "Nachbesserungen von geringem Umfang" durch die Autohersteller nicht, um eine "akzeptable Luftqualität in der Mehrzahl der belasteten Innenstädten zur erhalten. Das ergibt unsere überschlägige Berechnung", so Hendricks.

Das für Automobilindustrie und Fahrzeugzulassung zuständige Bundesverkehrsministerium will sich zu den Vorschlägen nicht äußern. Nachfragen der Deutschen Welle blieben bisher unbeantwortet.

Infografik Abgasüberschreitungen Diesel-PKW Euro 6
Gefordert wird eine korrekte Nachrüstung. Bei einigen neuen PKW funktioniert die Abgasreinigung inzwischen auch gut.

Nachrüstungen wie in den USA?

Die Forderung, manipulierte Diesel-PKW in Deutschland so nachzurüsten, dass diese die vorgeschriebenen Grenzwerte auf der Straße einhalten, lehnt der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) klar ab. Für den Verband sei die Situation in Deutschland anders als in den USA und deshalb nicht vergleichbar.

"Aber die Hersteller prüfen derzeit, welche technischen Möglichkeiten es gibt, um eine deutliche Verbesserung bei den innerstädtischen Emissionen von Euro-5-Autos zu erreichen", heißt es in der Stellungnahme des VDA. Zu dem Vorschlag eines Ausgleichs- und Entschädigungsfonds, finanziert durch die Autoindustrie, wollte sich der Verband nicht äußern.

Eine korrekte und umfassende Nachrüstung aller betroffenen Diesel-PKW hält allerdings auch der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) für dringend erforderlich. "Ein politisches Handeln ist überfällig", betont Verkehrsexperte Michael Müller-Görnert. "Es sind genug Fakten auf dem Tisch. Die Bundesregierung muss endlich ihre Bürger schützen, statt die Interessen der Autoindustrie."

Als Skandal bezeichnen Umweltverbände auch, dass weiterhin täglich über 3000 neue Diesel-PKW in Deutschland verkauft werden dürfen, die die Grenzwerte auf den Straßen nicht einhalten. Deshalb müsse Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) "endlich ein Verkaufsverbot für neue Euro-6-PKW verhängen, wenn sie die Grenzwerte von maximal 80 Milligramm Stickoxid pro Kilometer nicht auf der Straße einhalten", sagt Jens Hilberg vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).  

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion