Kleine Schritte, Ende offen...
14. Dezember 2012EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und der Chef der EU-Kommission, Jose Barroso, hatten sich für den vorweihnachtlichen Gipfel in Brüssel viel vorgenommen. Sie wollten den 27 Staats- und Regierungschefs ihre Idee eines Ausgleichfonds für die runderneuerte Währungsunion der Euro-Staaten schmackhaft machen. Aber vor allen von den Staaten, die in einen solchen neuen Fonds, genannt "fiskalische Faszilität" einzahlen müssten, gab es eine Abfuhr. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die den wirtschaftlich stärksten Euro-Staat Deutschland vertritt, bremste Van Rompuy und Barroso aus. Mit dem neuen Ausgleichsfonds, der nach Meinung vieler Wirtschaftsexperten zu einer wirklichen Währungsunion gehört, wollte EU-Ratspräsident Van Rompuy so genannte "asymmetrische Schocks" absorbieren, also extreme wirtschaftliche Unterschiede zwischen den Regionen in der Euro-Zone. Dies wäre ein ähnliches System wie der Länderfinanzausgleich zwischen den deutschen Bundesländern oder das Ausgleichssystem zwischen den us-amerikanischen Bundesstaaten und der föderalen Regierung in Washington.
Ausgleichs-Fonds für mehr Stabilität
Dieser Ausgleichs-Fonds müsste im Endausbau der "Währungsunion 2.0" von einem europäischen Finanzminister verwaltet werden, glaubt der Ökonom Guntram Wolff von der Denkfabrik "Bruegel" in Brüssel. "Mittelfristig brauchen wir in Europa eine zentrale Institution, eine Art Finanzministerium auf Ebene der Euro-Zone mit klaren Entscheidungskompetenzen und auch klaren Entscheidungsstrukturen. Diese Institution muss nicht Zugang zu großen Ressourcen haben, zwei bis drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Euro-Zone würden reichen", so Guntram Wolff. Aber auch das wären immerhin bis zu 200 Milliarden Euro. "Das würde letztlich dem Euro-Raum die Stabilität geben, die dieser Finanz-Raum braucht." Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte sich im Oktober vor dem vorletzten EU-Gipfel für einen starken europäischen Währungskommissar oder Finanzminister ausgesprochen.
Bundeskanzlerin Merkel lehnte nach diesem Gipfel einen solchen Ausgleichsfonds ab. Auch von einem europäischen Finanzminister war nicht mehr die Rede. Merkel kann sich eher einen kleineren Solidaritätsfonds vorstellen, aus dem Länder belohnt werden, die ihre Wirtschafts- und Sozialsysteme nach europäischen Vorgaben reformieren. "Es geht auch um ein sehr begrenztes Budget, was nicht jetzt in dreistelliger Milliardenhöhe liegt, sondern eher bei zehn, 15 oder 20 Milliarden. Ich glaube, darüber wirklich entscheiden kann man erst nach der mittelfristigen finanziellen Vorausschau", so Angela Merkel. Auf die mittelfristige Finanzplanung will sich die EU nach einem ersten gescheiterten Anlauf im kommenden Frühjahr einigen.
"Die Tür ist weiter offen"
Frankreich, Italien und Spanien sehen den kleineren Solidaritätsfonds nur als ersten Schritt. Der zweite Schritt hin zu einem richtigen Ausgleichs- und Transfersystem innerhalb der Währungsunion müsse irgendwann folgen. Das glaubt auch EU-Ratspräsident Van Rompuy: "Der zweite Teil ist ein Fonds, mit dem die so genannten "asymmetrischen Schocks" bekämpft werden können. Wir haben nicht den Auftrag, das bis Juni 2013 auszuarbeiten. Aber natürlich ist die EU-Kommission immer in der Lage, Vorschläge in diese Richtung zu machen." EU-Kommissionspräsident Jose Barroso will trotz des Einspruchs von Deutschland und anderen solventen Staaten an dem Plan der Währungsunion 2.0 festhalten. "In der Tat wurde keine Tür geschlossen. Aber um ehrlich zu sein, es stimmt, dass die Mitgliedsstaaten entschieden haben, sich auf das zu konzentrieren, was jetzt getan werden kann."
Am Ende neue EU-Verträge
Im kommenden Jahr werden die Themen Altschulden und gemeinsame Schuldenaufnahme über Eurobonds wieder auf der Tagesordnung stehen, auch wenn Bundeskanzlerin Merkel dies vermeiden will. Die Vergemeinschaftung der Schulden, so wie vom Europäischen Parlament und einigen verschuldeten Staaten gefordert wird, gehöre irgendwann auch zu einer vollendeten Währungsunion, glaubt der Brüsseler Ökonom Guntram Wolff. "Diese Diskussionen werden aber sehr schwierig." Vor allem würde eine gemeinsame Schuldenaufnahme oder eine gemeinsame Tilgung der alten Schulden neue EU-Verträge erfordern. Der heute geltende Lissabon-Vertrag über die Grundlage und Arbeitsweise der Europäischen Union gibt das nicht her. "Langfristig werden sicherlich Anpassungen der Verträge nötig sein", sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Olli Rehn, der Deutschen Welle.
Bundeskanzlerin Merkel will sich erst einmal auf eine engere wirtschaftspolitische Koordination der Mitgliedsstaaten der Euro-Gruppe und die Bankenaufsicht konzentrieren. "Lieber gründlich als schnell", bleibe ihr Motto, so die Bundeskanzlerin. Beim Gipfel der Europäischen Union im Juni 2013 soll dann über weitere Schritte entschieden werden. Der Fahrplan steht, aber das Ziel der Reform-Reise ist noch nicht klar bestimmt.