Kommt Bewegung in den WTO-Agrarstreit?
28. Oktober 2005
Die hohen Einfuhrzölle der Europäischen Union hindern die Entwicklungsländer daran, ihre Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen auf den europäischen Markt zu bringen. Die Zölle sind allerdings nur einer der Knackpunkt der WTO-Verhandlungen: Es geht dabei auch um die massiven Subventionen, mit denen die europäischen Staaten und die USA ihre Agrarprodukte auf den Weltmarkt bringen - zu Ungunsten der Produzenten in armen Ländern.
Die Vorschläge der EU
Bisher hatte Brüssel lediglich Einschnitte bei den Zöllen in Höhe von 20 bis 50 Prozent in Betracht gezogen - jetzt liegen die Vorschläge deutlich höher. Die EU bietet eine Kürzung der höchsten Agrarzölle um 60 Prozent an, die niedrigeren könnten zwischen 35 bis 60 Prozent gekürzt werden. Damit geht die EU-Kommission weiter auf ihre Verhandlungspartner zu, unter denen auch die Schwellenländer Brasilien und Indien sind. Die Schwellenländer der G-20-Gruppe hatten 75 Prozent vorgeschlagen, die USA 90 Prozent.
EU-Handelskommissar Peter Mandelson erklärte, eine 90-Prozent-Kürzung würde den sehr vorteilhaften Marktzugang für die ärmsten Länder in die EU abschaffen - dies sei nicht hinnehmbar. Die EU fordert von Washington Zugeständnisse bei der Nahrungsmittelhilfe und Exportkrediten. Der Agrarbereich hat in den WTO-Verhandlungen für eine Liberalisierung des Welthandels eine Schlüsselrolle, da der Marktzugang für viele Entwicklungsländer überlebenswichtig ist. Die EU bietet auch eine Abschaffung seiner Exporthilfen für Zucker oder Getreide zu einem bestimmten Termin an, falls die WTO-Partner mitziehen.
Frankreich hat ein Problem
Der Streit um die Handelspolitik spaltet derzeit die EU. Frankreich sieht sich in seinem kritischen Kurs gegenüber der Kommission von mehreren Staaten unterstützt, darunter Spanien, Portugal, Griechenland, Irland, Ungarn oder Polen. Frankreichs traditioneller Partner Deutschland steht hingegen auf der Seite der Kommission.
Mit den jüngsten Zugeständnissen droht Mandelson ein neuer Konflikt mit der französischen Agrarlobby. Vorsorglich erklärte er, die EU-Kommission verhandele "im besten Interesse Europas und auch Frankreichs". Frankreich hatte in den vergangenen Wochen bereits das Verhandlungsmandat des Briten für die EU-Mitgliedstaaten in Zweifel gezogen und mit einem Veto gedroht. Frankreich als traditioneller Agrarstaat fürchtet massive Einschnitte für seine Bauern.
Entscheidung im Dezember?
Peter Mandelson sprach von dem "letzten Angebot", das die EU zu machen bereit sei. Es liege innerhalb des Verhandlungsmandats der Kommission. Gleichzeitig forderte er von den USA und den Schwellenländern wie Brasilien mehr Bewegung. Sie sollten nun ihrerseits vor der nächsten WTO-Gesprächsrunde Mitte Dezember in Hongkong einen Schritt auf die EU zu machen. Denn dann wollen die 148 WTO-Staaten einen Kompromiss im Agrarstreit finden. (arn)