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Abzug bedeutet Chaos

Peter Philipp11. September 2007

Der Oberkommandierende der US-Truppen im Irak, General David Petraeus, hat Präsident Bush den Rücken gestärkt. Dennoch: Auf die Rolle eines getreuen "Generals des Präsidenten" sollte er nicht reduziert werden.

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Themenbild KommentarBild: DW

US-General David Petraeus ist sicher nicht zu beneiden: Der hoch dekorierte und allseits für seine Expertise gelobte Oberkommandierende der amerikanischen Truppen im Irak schien seinem Ruf nicht gerecht zu werden. Denn was er vor dem Kongressausschuss zu sagen hatte, das kam doch verdammt dem nahe, was Präsident George W. Bush immer wieder vorgegeben hatte: dass die Truppenverstärkung vom Frühjahr durchaus positive Veränderungen herbeigeführt habe, dass aber an einen Abzug der Truppen in absehbarer Zeit nicht zu denken sei. Auch nicht an einen ungefähren Rückzugsplan.

Lage schlechter als zu Saddams-Zeiten

Peter Philipp
Peter Philipp ist Chefkorrespondent der Deutschen Welle

Wenn Petraeus davon sprach, dass bis zum Sommer des nächsten Jahres vielleicht die zusätzlichen Truppen wieder abgezogen werden könnten, dann schien er reduziert auf die Rolle eines getreuen "Generals des Präsidenten", aber genau dieser Eindruck wird ihm sicher nicht gerecht. Er hätte es natürlich leichter, wenn er den Irakern und auch den Kritikern daheim sagen könnte: Vor vier Jahren sind wir mit klaren Zielen in den Irak einmarschiert und nachdem diese Ziele nun erreicht sind, können wir an eine Rückkehr denken. Das Dumme an der Sache ist, dass die Wirklichkeit ganz anders aussieht: Es fehlte schon am klaren Ziel des Einmarsches – vom Sturz des Saddam-Regimes einmal abgesehen. Und auf die Bilanz vier Jahre nach dem Einmarsch kann auch der verstockteste Hardliner in Washington nicht stolz sein: Das Zweistromland befindet sich heute in desolaterem Zustand als zur Zeit der Diktatur.

Die meisten Ziele wurden nachgeliefert und sie reichen von Demokratisierung bis zum Kampf gegen den Terrorismus. Keines dieser Ziele ist bisher erreicht worden, selbst wenn in den letzten Monaten statistisch tatsächlich ein Rückgang der Gewalttaten feststellbar sein sollte. Von einer politischen Versöhnung der verschiedenen Volks- und Religionsgruppen scheint man weit entfernt. Die aber wäre für den politischen Neubeginn dringend nötig. Die Verfassung und die darin verankerte Verteilung der Macht ist noch immer nicht fertig, die Kontrolle über die Bodenschätze ungeklärt und die Öl-Produktion weiterhin unbedeutend. Die Einmischung der Nachbarstaaten hat kaum nachgelassen und mit der Regierung von Maliki ist auch einiges im Argen.

Fehler müssen korrigiert werden

US-Botschafter Ryan Crocker sieht das immerhin realistisch: Es gebe keinen Nelson Mandela an Euphrat und Tigris und hätte es diesen gegeben – er hätte wohl kaum überlebt. Einen besseren Mann als Maliki werden die USA kurzfristig kaum finden. Und dessen Misserfolge sind – wie so vieles im Irak heute - eben auch Resultat der amerikanischen Fehler. Wenn irgend möglich, sollten diese Fehler korrigiert werden – im neuen Umgang mit den Sunniten gibt es ja einen Ansatz dazu.

Ein übereilter Abzug allerdings wäre keine Lösung. Er würde den Irak und die Region noch tiefer ins Chaos stürzen. General Petraeus weiß das sicher besser als die Wahlkämpfer in Washington. Und auch dafür ist er nicht zu beneiden.