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Politik

Wir schaffen das!

11. April 2018

Streit? In der Bundesregierung? Die wollen nur diskutieren, sagt Angela Merkel und lächelt alle Bedenken weg. Ob das ausreicht und das Kabinett nun endlich effektiv arbeiten kann? Sabine Kinkartz bezweifelt das.

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Deutschland Klausurtagung des Bundeskabinetts
Auch bei der Kabinettsklausur in Meseberg schauten noch nicht alle in eine RichtungBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Ich gebe zu: Ich wäre in den vergangenen zwei Tagen gerne Mäuschen gewesen im Schloss Meseberg. Jenem aufwändig restaurierten Barockschloss aus dem 18. Jahrhundert in idyllischer Lage vor den Toren Berlins, in das sich die neue Bundesregierung zur Selbstfindung zurückgezogen hatte. Ich hätte zu gerne zugehört, was die Kanzlerin ihrer Ministerriege hinter verschlossenen Türen zu sagen hatte.

Bitterböse Schlagzeilen und heiße Luft - mehr hat die neue Regierung bislang nicht produziert. Mit dem Erfolg, dass nur jeder dritte Deutsche der Meinung ist, dass die Koalition aus CDU, CSU und SPD eine gute Arbeit macht. Selbst in den eigenen Parteien wird das desolate Erscheinungsbild der Regierung schon beklagt. Kaum vorstellbar, dass darüber in Meseberg nicht gesprochen worden ist und dass Merkel ihrer Truppe nicht gesagt hat, dass es so nicht weitergehen kann. Spätestens nach dem zweiten Glas Rotwein am späten Abend.

Vier Kanzler im Kabinett

Man kennt das aus der Schule: Üblicherweise reichen in einer Klasse zwei Querulanten aus, um jeden geordneten Unterricht zu verhindern. Im Kabinett sind das vordergründig Horst Seehofer und Jens Spahn. Der CSU-Chef hat die Landtagswahl in Bayern vor Augen und sieht zu, was er als Bundesinnenminister für seine Partei tun kann. Der Bundesgesundheitsminister hat vor allem sich selbst und seine weitere politische Karriere vor Augen. Er fühlt sich zu Höherem in der CDU und im Land berufen. Das Gesundheitsressort ist für ihn nur ein Sprungbrett, keine Passion.

Dann ist da noch Olaf Scholz, der Bundesfinanzminister und Vizekanzler. Der hat es nicht so mit lauten Auftritten, weiß aber seine Fäden im Hintergrund zu spinnen. Momentan ist er damit beschäftigt, sein Ministerium zu einer Art Nebenregierung auszubauen. Leise, aber sicherlich effektiv. Während Seehofer und Spahn der Kanzlerin lärmend auf der Nase herumtanzen, hält sich Scholz im Hintergrund und wartet einfach ab, wie sich die anderen zerlegen.

Teambildung? Fehlanzeige!

Wie soll Angela Merkel damit umgehen? In ihrer inzwischen vierten Amtszeit hat sie ein Kabinett zu leiten, das so heterogen ist wie nie zuvor. Drei Parteien, die mit ihren Positionen deutlicher als je zuvor erkennbar sein und sich voneinander abgrenzen wollen. Eine Reihe von Persönlichkeiten, die ihr eigenes Profil wichtiger nehmen als den gemeinsamen Erfolg. Wie soll unter diesen Umständen eine effektive Teamarbeit möglich sein?

Kinkartz Sabine Kommentarbild App
DW-Korrespondentin Sabine Kinkartz

Das wird schon, versucht die Kanzlerin zu beschwichtigen. Auf der Klausurtagung in Meseberg will sie einen "guten, kooperativen Geist" festgestellt haben. Statt von "Streit" spricht sie von "Debatten" und "Meinungsbildern", die völlig normal seien und selbstverständlich wache man morgens nicht immer auf und habe den gleichen Gedanken. Aber es gebe so viel Arbeit, dass in Zukunft wenig Zeit bleibe, um sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Dabei lächelt Angela Merkel und mir fällt ihr Satz "Wir schaffen das" ein.

Selbstfindung statt Regierungsarbeit

Konkret und greifbar geschafft hat die Regierung in Meseberg allerdings nicht viel. Auswege und Lösungen in der Dieselkrise? Fehlanzeige. Die Autoindustrie finanziell belasten will die Regierung genauso wenig, wie sie Fahrverbote oder Umweltplaketten anordnen will. Irgendwie wird man das Problem doch aussitzen können, oder? Auch im Streit um den Umgang mit Langzeitarbeitslosen und die von der SPD angekündigte Reform der Grundsicherung "Hartz IV" gibt es nichts Neues. Nur so viel: Der Bundeshaushalt für das laufende Jahr soll nun so schnell wie möglich auf den Weg gebracht werden. Aber das war sowieso schon klar.

Wenn die Kanzlerin sagt, dass es in Meseberg doch gar nicht um konkrete Vorhaben ging, sondern darum, sich besser kennenzulernen und arbeitsfähig zu werden, dann zeigt das, wie weit das Kabinett vom normalen Regierungsalltag noch entfernt ist. Wie in der Schule. Da gibt es auch Vorbereitungsklassen für problematische Schüler, die dem Regelunterricht noch nicht folgen können.

Deutschland braucht eine arbeitende Regierung

Politisch ist das ein Desaster. Rechnet man den Wahlkampf mit ein, dann wird Deutschland seit rund einem Jahr nur noch verwaltet und nicht mehr regiert. Dabei wäre so viel zu tun. Auch international. Man kann davon ausgehen, dass NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Merkel und ihrem Kabinett in Meseberg klargemacht haben, dass sie ein handlungsfähiges und verlässliches Deutschland an ihrer Seite brauchen und keine Regierung, die vor allem mit sich selbst beschäftigt ist.

Ob das in den Köpfen angekommen ist? Man möchte es hoffen, aber wahrscheinlich ist es nicht. Ein Horst Seehofer hat sich noch nie in seiner politischen Laufbahn disziplinieren lassen und auch von Jens Spahn ist solches nicht bekannt. Im Gegenteil. Die beiden werden weiterhin quer schießen, das liegt in ihrer Natur. Geräuschloses Regieren, wie es Merkel so liebt, wird in absehbarer Zukunft nicht möglich sein.

Wie geht es weiter?

Eine Hoffnung bleibt. Wenn die Landtagswahlen in Bayern im Herbst Geschichte sind, werden Seehofer und seine beiden CSU-Kollegen im Kabinett absehbar ruhiger werden. Und dann bleibt ja auch nur noch ein Jahr, bis die Koalitionäre ihre Zusammenarbeit auf den Prüfstand stellen wollen - die Sollbruchstelle im Koalitionsvertrag! In der SPD arbeiten sie bekanntlich darauf hin, Ende 2019 programmatisch so aufgestellt zu sein, dass sie in eine Bundestagswahl starten könnten. In der Union ist man ebenfalls nicht untätig.

Für Deutschlands unmittelbare Zukunft sind das keine guten Aussichten.

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