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Warum eine Anti-IS-Koalition mit Putin nötig ist

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Ingo Mannteufel
19. November 2015

Der IS verbreitet seinen Terror inzwischen in vielen Weltregionen. Deswegen ist es richtig und kein Verrat von Prinzipien, über eine gemeinsame Anti-IS-Koalition mit Russland nachzudenken, meint Ingo Mannteufel.

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Syrien Pro-russische Demonstration vor der russischen Botschaft in Damaskus
Pro-russische Demonstranten vor der russischen Botschaft in Damaskus im OktoberBild: picture-alliance/dpa

Eine Koalition mit Russland im Kampf gegen den so genannten "Islamischen Staat" (IS) ist ein Gebot der Stunde. Die Präsidenten Frankreichs und der USA, Hollande und Obama, scheinen in diese Richtung zu denken. Deutschland sollte sich diesem Vorhaben anschließen - aber ohne die illusionsbehaftete Lyrik einer Partnerschaft mit Russland. Und auch ohne die Vorstellung, dass im zusammenbrechenden Nahen Osten in den nächsten Jahren blühende demokratische Landschaften entstehen werden, sobald nur der syrische Präsident Assad von der Macht verdrängt worden ist.

Realpolitik ist angesagt

Denn natürlich ist der russische Präsident Putin kein wirklicher Partner im Geiste. Die aggressive Politik des Kremls gegen die Ukraine und die völkerrechtswidrige russische Annexion der Krim dürfen nicht vergessen werden. Die deshalb verhängten Sanktionen gegen Moskau müssen aufrecht erhalten bleiben. Natürlich kann erst recht der syrische Diktator Assad kein wirklicher Partner sein. Schließlich hat er die Gewaltspirale in Syrien mit verursacht. Seine Verantwortung für die mehr als 250.000 Toten und die Flüchtlingswelle ist unbestreitbar.

Das Interesse von Präsident Putin an einer Anti-IS-Koalition entspringt auch keiner humanitären Überlegung, sondern ganz klar geopolitischen Interessen. Und sicher benutzt der Kreml den westlichen Schock über die Terroranschläge in Paris dazu, seine internationale Isolation zu überwinden, seine Politik durchzusetzen und sich wieder als anerkannte Großmacht zu festigen. Die russische Unterstützungs-Diplomatie für Assad seit 2011 trägt ja auch eine Mitschuld am Krieg in Syrien.

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Ingo Mannteufel leitet die Russische Redaktion der DW

Doch heißt dies alles, dass eine Anti-IS-Kooperation mit Russland und damit faktisch auch mit Assad rundherum ausgeschlossen werden sollte? Mitnichten! Internationale Probleme lassen sich nicht nur im netten Stuhlkreis-Ambiente von Gleichgesinnten mit einem perfekten Ergebnis auflösen.

Außerdem: Auch das NATO-Land Türkei und selbstverständlich Saudi-Arabien tragen am Krieg im Syrien Mitschuld. Und unter den Anti-Assad-Gruppen der sogenannten Freien Syrischen Armee sind Vertreter zu finden, denen nach dem Sturz von Assad der Genozid an Millionen von Aleviten zuzutrauen wäre. Sind dies alles bessere Gesinnungspartner? Und ein letztes Eingeständnis: Viele Probleme von heute sind in der Region erst durch eine gefährliche Interventionspolitik der USA in der Zeit von Präsident George W. Bush geschaffen worden.

Konkrete Ziele und Bedingungen

Kurzum: Statt moralinsaurer Deklarationen, mit wem man alles nicht zusammenarbeiten dürfte, sollten die Anschläge von Paris endlich zu einer klar fokussierten Realpolitik führen. Dazu sind konkrete Ziele und Bedingungen notwendig. Erstens muss die islamistische Endzeit-Sekte des IS völlig zerschlagen werden - in Syrien, im Irak und auch in Europa. Dazu gehören Druck auf die Unterstützer der Terrormiliz in den Golfstaaten und eine enge militärische Abstimmung mit Russland. Schließlich nützt es nichts, darüber zu lamentieren, dass Moskau sich in Syrien mit einer eigenen Militärbasis festgesetzt hat und ein wichtiger Faktor ist. Dass Putin daraus propagandistische Vorteile zieht, sollte erst einmal egal sein, solange der Westen in seiner Ukraine-Politik standhaft bleibt.

Zweitens muss nach der Zerschlagung des IS mit einer an die KSZE erinnernden Nahost-Konferenz der gesamte Raum des Mittleren Ostens befriedet und stabilisiert werden - sicherlich zum hohen Preis, dass Assad in einem Rest-Syrien an der Macht bleibt. Doch die Alternative wäre ein Weiterdrehen der Gewaltspirale, ebenfalls unendliches Leid und die Gefahr, dass sich der Flächenbrand weiter nach Europa, Afrika und Asien ausdehnt.

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