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Kommentar: Vorsorge ist nötig, Panikmache verantwortungslos

Christiane Hoffmann20. Oktober 2005

Die Vogelgrippe ist in Europa angekommen. Deutsches Geflügel muss in den Stall; die EU berät über Maßnahmen. Panikmache oder reale Bedrohung? Das fragt sich Christiane Hoffmann in ihrem Kommentar.

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Bild: dpa - Report

Die deutschen Behörden haben angeordnet, dass ab Ende dieser Woche kein Geflügel mehr im Freien gehalten werden darf. Zudem beraten die EU-Gesundheitsminister am Donnerstag und Freitag (20./21.10.) in der Nähe von London über europaweite Maßnahmen. Was ist übertriebene Sorge und wo steckt die reale Gefahr? So ganz genau kann oder will das derzeit kaum einer sagen. Doch Panik-Käufe des Grippemittels Tamiflu sind nicht angebracht und auch Hühnchen kann man getrost weiter essen.

Vorsorge in der Tierhaltung nötig

Grundsätzlich sollte man in der Diskussion zwei Dinge trennen: die Gefahr für Tiere und für den Menschen. In erster Linie handelt es sich um eine Tierseuche, die bisher im Wesentlichen im Tierreich geblieben ist. Dort hat sie allerdings riesige Schäden angerichtet. In Asien wurden in den vergangenen zwei Jahren 10 Millionen Tiere notgeschlachtet, um die Tierseuche einzudämmen. Genützt hat das wenig - das Virus droht sich über Zugvögel weltweit zu verbreiten. Daher ist dringende Vorsorge in der Tierhaltung geboten. Die Verordnung in Deutschland, jetzt alles Geflügel in die Ställe zu schicken, ist nötig und richtig. Allerdings besteht die Gefahr, dass diese Situation wirtschaftspolitisch gegen Öko-Bauern verwendet wird. Das wäre jedoch eine falsche Schlussfolgerung.

Europa ist gut vorbereitet

Klar ist: diese Tierseuche ist nicht neu und tritt seit über 100 Jahren immer mal wieder auf. In den Niederlanden wurde sie zum Beispiel vor zwei Jahren schnell eingedämmt. Trotz aller Vorsorge wird aber kaum zu verhindern sein, dass das Virus auch Mitteleuropa erreicht. Die Chancen, es in Europa schnell in den Griff zu bekommen, sind jedoch sehr gut. Denn die Seuchenvorsorge ist im Verhältnis zu anderen Ländern gut strukturiert. Die Gefahr einer starken Verbreitung besteht dagegen für Regionen, die nicht so gut entwickelt sind: den Nahen Osten und Länder in Nord- und Ostafrika. Wenn die Vogelgrippe dort auftreten sollte,

werden diese Länder große Schwierigkeiten haben, die Verbreitung einzudämmen - und das kann riesige wirtschaftliche Schäden anrichten. Dorthin sollte Unterstützung gehen.

Nervöse Wissenschaftler

Bisher ist der Mensch für das Virus eine Sackgasse - es kann nicht von Mensch zu Mensch weitergegeben werden. Nervös sollte man deshalb jetzt nicht werden. Zwar kann das Virus, wenn es einen Menschen befällt, zum Tode führen. Aber anstecken kann man sich nur, wenn man extrem engen Kontakt mit Geflügel hat - also mit Blut oder Kot in Berührung kommt, zum Beispiel beim Schlachten. Allerdings schwebt über der Diskussion um die Tierseuche die diffuse Angst einer großen Pandemie. Sie droht, falls das Virus so mutiert,

dass es nicht nur von Vögeln auf den Menschen sondern auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Es kursieren wirre Zahlen von Millionen Toten weltweit. Und je häufiger das wiederholt wird, umso bedrohlicher erscheint es.

Nervös sind Wissenschaftler vor allem, weil eine große weltweite Grippewelle rein statistisch längst überfällig ist. Und es wird vermutet, dass sich aus dem Virus H5N1 solch ein Supervirus entwickeln könnte. Doch das ist keinesfalls sicher. Auch ein ganz anderes Virus, könnte ein Auslöser für solch eine Seuche sein. Und ob es im nächsten Jahr oder in 20 oder gar nicht auftritt, ist auch nicht sicher. Daher sollte vorgesorgt werden - was jetzt gemacht wird - mit Einlagerung von Medikamenten wie Tamiflu und Relenza, die als einzige gegen das tierische Vogelgrippe-Virus wirken. Doch Unruhe oder gar panische Reaktionen sind nicht angebracht. Und durch ständiges Hinweisen auf eine mögliche Pandemie mit der Angst der Menschen zu spielen ist verantwortungslos.