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Politik

Abschottung statt Willkommenskultur

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
24. September 2016

Der Westbalkan-Gipfel in Wien brachte nur wenig Neues. Er zeigt aber, wie sich Politik und Sprache in der EU verändert haben: Es geht um Abschottung, nicht mehr um Humanität, meint Barbara Wesel.

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Wien  Angela Merkel  Donald Tusk EU Gipfel Balkan Route
Bild: picture-alliance/dpa/C.Bruna

Als im Februar die Flüchtlingsroute durch die Länder des Westbalkans geschlossen wurde, gab es in der EU noch laute Kritik. Mit Zäunen und Mauern sei das Problem nicht zu lösen, hieß es damals. Man dürfe doch die humanitären Werte Europas nicht vergessen und die Schutzbedürftigkeit der Ankommenden. Das ist erst ein halbes Jahr her, aber inzwischen kann sich kaum noch jemand daran erinnern. Europa hatte versucht, eine faire Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen zu organisieren - und scheiterte damit grandios.

Es geht nur noch um Abschottung

EU-Ratspräsident Donald Tusk sagt inzwischen klipp und klar, dass die Westbalkanroute für immer geschlossen bleiben müsse. Er hat sich sowieso in den letzten Monaten immer mehr den Positionen vieler osteuropäischer Regierungschefs angenähert, auch beim Nachdenken über die Zukunft Europas. Er muss sich fragen lassen, für wen er eigentlich spricht, wenn er immer mehr zum Hardliner wird. Noch herrschen die Rechtsausleger, die polnische Pis-Partei, der Front National in Frankreich oder die deutsche AfD nicht in ganz Europa. Aber es entsteht der Eindruck, dass sie zunehmend die politische Diskussion und die Sprache bestimmen.  

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DW-Europa-Korrespondentin Barbara Wesel

Doch Tusk ist nur Teil einer allgemeinen Entwicklung: Alle Schamgrenzen sind längst gefallen, wenn über Flüchtlinge gesprochen wird. So wie Europa dem Bombenhagel auf Aleppo zuschaut und sich nicht einmal mehr zu Protest aufrafft, so gleichgültig ist längst das Schicksal der Flüchtlinge von dort und aus anderen Krisenregionen geworden. Die EU ist sich einig darin, Flüchtlinge vor den Grenzen abzuwehren. Das Ziel ist, Europa zur Festung auszubauen, und es geht nur noch um den Schutz der Außengrenzen. Auch Angela Merkel, die noch im vergangenen Jahr als Retterin der Humanität gelobt wurde, hat still und leise diesen Wandel mit vollzogen.

Die Sprache und die Gefühle verrohen

Berichte über das dramatische Schicksal von Flüchtlingen sind unpopulär geworden. Niemand will mehr wissen, was die 300 Ägypter zur Flucht getrieben hat, die vor zwei Tagen im Mittelmeer mit ihrem Boot versanken. Es gibt schockierende Hinweise auf gewalttätige Schlepperbanden, die Jugendliche mit Gewalt auf die Reise gezwungen haben. Aber wer will das überhaupt noch wissen? Hunderte Kinder sind in diesem Jahr schon ertrunken, sie bleiben namenlos, ihre Geschichten werden nicht mehr erzählt.   

Europa antwortet auf das Leid aus dem Süden, so verschieden auch die Fluchtursachen sein mögen, nur noch mit mehr Grenzpatrouillen. Es ist unmodern geworden, die Menschen als humanitäre Herausforderung zu betrachten. Sie sind innerhalb nur eines Jahres zu Zahlen und Statistiken geworden, die niemanden mehr berühren. So lassen sich die Politiker in der EU von den Rechtsextremen vor sich her treiben. Die Sprache ist zunehmend verroht - dafür brauchen wir nicht einmal Viktor Orban - und das politische Handeln folgt der neuen Gefühllosigkeit. Europa hat die Grundsätze verraten, die es besonders und einmalig machten, und kaum jemand hat es bemerkt. Und das ist keine gute Basis für die Neuausrichtung der EU, über die in den diesen Monaten beraten wird.  


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