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Politik

Venezuelas Höllenfahrt

Evan Romero Kommentarbild PROVISORISCH
Evan Romero-Castillo
28. April 2017

Nicht die “inneren Angelegenheiten” Venezuelas, die Präsident Maduro verbergen will, sorgen in Lateinamerika für Unruhe - sondern die Ausweitung der nationalen in eine regionale Krise, meint Evan Romero-Castillo.

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Venezuela Leere Regale im Supermarkt
Bild: Getty Images/AFP/J. Barreto

Stünde Venezuela nicht vor einer solch katastrophale Lage, wäre das sardonische Lächeln als Reaktion auf die Entscheidung von Präsident Nicolás Maduro, sein Land aus der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zurückzuziehen, wohl etwas boshafter ausgefallen. Aber die Hölle, in die sich das Land in der Karibik verwandelt hat, wird von Stunde zu Stunde unerträglicher. Die Verteuerung des Lebens und die Verbreitung ungestraft bleibender Morde sind nur zwei der Plagen, die Venezuelas Bewohnerinnen und Bewohner hungern, erkranken und trauern lassen. So freut sich niemand über den Rückzug des Landes aus dem panamerikanischen Forum, mag die Ankündigung auch noch so sonderbar anmuten.

Ansteckende Misere

Die antichavistische Opposition muss sich nun als naiv bezeichnen lassen. Sie hatte die OAS davon überzeugen wollen, die Menschenrechtsverletzungen im Land, die Zerschlagung der demokratischen Institutionen und die Angriffe auf den Rechtsstaat, die Maduro und seine Untergebenen begangen haben, zu überprüfen und öffentlich zu verurteilen. Naiv deshalb, weil sie glaubte, schon die Beweise der "Akte Venezuela" - zusammengestellt und präsentiert vom derzeitigen OAS-Generalsekretär Luis Almagro - würden ausreichen, um die Gemeinschaft amerikanischer Staaten davon zu überzeugen, dass die Regierung Maduros verwarnt und die Verfassungsmäßigkeit im Land aktiv wiederhergestellt werden muss.

Aber noch naiver ist Maduro selbst, wenn er denkt, dass sich Venezuela durch den Austritt aus der OAS jeglicher Aufmerksamkeit und Überprüfung entziehen könne. Heute schon leiden Länder wie Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Panama, Peru, Trinidad und Tobago, um nur einige zu nennen, spürbar unter den Folgen der mangelhaften chavistischen Regierungsarbeit: Der Exodus der Venezolaner hat sich für Maduros Amtskollegen in der Region bereits zu einem Problem entwickelt. Nicht die "inneren Angelegenheiten" Venezuelas, die Präsident Maduro so beharrlich zu verbergen versucht, sorgen bei seinen Nachbarn für Unruhe, sondern die Ausweitung der nationalen Krise zu einer regionalen.

Pessimistische Szenarien

Wenn die Ankunft einer großen Zahl von Nordkoreanern der wiederkehrende Alptraum Südkoreas ist -  eines Landes wohlgemerkt, in dem es Programme zur Begrüßung und Integration der geflüchteten Nachbarn aus dem Norden gibt -, so fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, wie das Kontingent an Venezolanern, die vor der bolivarischen Diktatur fliehen, in Lateinamerika und auf den Antillen wahrgenommen wird. Auch wenn Venezuela nun angekündigt hat, dass es aus der OAS austreten will, so wird dieser Austritt doch erst 2019 wirksam werden. Wenn Venezuelas Vertreter den Treffen der Organisation in den kommenden zwei Jahren fernbleiben werden, so können die übrigen OAS-Mitglieder die Unnachgiebigkeit Caracas' als Einladung zu bilateralem Handeln verstehen, mit all den Risiken, die dies mit sich bringt.

Der venezolanische Rechtsanwalt Mariano de Alba, ein Spezialist auf dem Gebiet des Internationalen Rechts, kommentierte erst kürzlich in einer Analyse, dass auch die zurückhaltendsten Regierungen sich am Ende gezwungen sehen könnten, ihre Konsuln einzubestellen oder ihre Botschaften in Caracas zu schließen. Aber er warnte auch davor, dass dies die Legitimität der Regierung Maduros aberkennen und so das Land weiter isolieren könnte. Es könnte dazu beitragen, ein totalitäres System weiter aufrechtzuerhalten, das im sich selbst auferlegten Scherbengericht eine Überlebensstrategie sieht. Die Diplomatie des ganzen Kontinents ist nun gefragt, weniger unheilvolle Szenarien zu entwickeln.

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