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Tsipras in Moskau - ein Schlag ins Wasser

Barbara Wesel 8. April 2015

Die Kritik im Vorfeld war heftig. Nicht nur die EU, auch die Ukraine geißelte den griechischen Alleingang in Moskau. Aber Alexis Tsipras hat dieses politische Spiel verloren, meint Barbara Wesel.

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Alexis Tsipras (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/A. Konstantinidis

Bisher hat der griechische Premier Alexis Tsipras im Umgang mit der Europäischen Union vor allem eines noch nicht bewiesen - dass er lernfähig ist. Seit seiner Amtsübernahme im Januar zeigt er die immer gleiche Mischung aus Bockigkeit, Realitätsverweigerung und Aggression in Richtung seiner Geldgeber. Vielleicht könnte der Besuch bei Wladimir Putin ihm aber jetzt endlich zu etwas Selbsterkenntnis verhelfen. Denn Tsipras hat sich dabei in ganz großem Maßstab verzockt. Er hat mit maximalem Einsatz gespielt und seine letzten politischen Karten auf den Tisch gelegt - um am Ende mit leeren Taschen nach Hause zu fahren. Der griechische Regierungschef war bereit, seine Zustimmung zur Verlängerung der Russland-Sanktionen und damit die Solidarität in der EU einzusetzen, um in Moskau einen neuen Freund und Helfer zu gewinnen. Er wollte den Europäern zeigen, dass er noch andere Optionen hat, als die schmerzhaften Verhandlungen mit Brüssel über Reformen und Auflagen zu führen, die seine akute Finanznot beenden sollen. Und er hat sich von dem alten Fuchs im Kreml dabei großartig vorführen und ausmanövrieren lassen. Wer mit Wladimir Putin essen will, braucht einen langen Löffel - das hätte ihm Angela Merkel vor zwei Wochen bei seinem Berlin-Besuch erklären können.

Putin ist schlauer als Tsipras

Alexis Tsipras scheint irgendwie versessen darauf, alle schlechten Erfahrungen selbst und im Detail zu machen. So zerschlug er nach alter griechischer Sitte einen ganzen Laden voller Teller, verärgerte durch diesen Moskaubesuch zur Unzeit EU-Kommissionspräsident Juncker, Parlamentspräsident Schulz und sämtliche europäischen Partner, nur um für diesen kühnen Akt von Putin nichts zu bekommen außer warmen Worten und vagen Versprechungen. Es hat nicht einmal dafür gereicht, dass Tsipras triumphal nach Athen zurückkehren und seinen Pfirsichbauern die Aufhebung des russischen Importboykotts verkünden könnte.

Denn von den beschworenen Frühlingsgefühlen in Moskau, einem griechisch-russischen Kulturjahr und der Betonung gemeinsamer religiöser Wurzeln kann die griechische Regierung weder die anstehende Rate von knapp einer halben Milliarde Euro für den IWF, noch in der nächsten Woche die bedrohliche Summe von 2,4 Milliarden für kurzfristige Anleihen am Finanzmarkt bezahlen. Wladimir Putin aber hat die Avancen der Griechen in punkto EU-Sanktionen schlau unterlaufen: Man habe ja Verständnis dafür, dass auch Griechenland sich dem europäischen Sanktionsbeschluss anschließen musste, leider könne man jetzt natürlich bei den Gegenmaßnahmen auch keine Ausnahme für ein einzelnes EU-Land machen. Allerdings sei mehr Kooperation in der Landwirtschaft über gemeinsame russisch-griechische Unternehmen möglich - das ist bestenfalls ein unkonkretes Versprechen für eine Art von Joint-Venture Kolchosen. Ähnliches gilt auch für die beschworene große Rolle Athens bei der künftigen Versorgung Europas mit russischem Gas: Der Bau der Turkish Stream Pipeline und eine Anbindung Griechenlands ist Zukunftsmusik. Das Projekt wird Jahre in Anspruch nehmen, bis dahin kann sich politisch wieder viel geändert haben. Die Griechen aber brauchen konkrete Projekte zur Belebung ihrer Wirtschaft jetzt und gleich, nicht irgendwann in fünf Jahren. Und sie brauchen vor allem Geld, sehr viel Geld und zwar sehr bald.

Porträt - Barbara Wesel, Foto: DW
Barbara Wesel, Korrespondentin im DW-Studio BrüsselBild: DW/B. Riegert

Griechenlands Premier hat gepokert und verloren

Alexis Tsipras hat alles aufs Spiel gesetzt und hoch verloren. Selbst wenn in ersten Reaktionen aus Brüssel die Zornrhetorik der letzten Tage wieder etwas herunter gefahren wird: Der griechische Regierungschef muss sich in den nächsten zwei Wochen mit genau den Leuten jetzt wieder an den Verhandlungstisch setzen, die er durch seine Moskaureise einmal mehr zur Weißglut gebracht hat. Er hat in Brüssel und in Berlin bei Angela Merkel Solidarität und Verständnis erfahren und reagiert mit einer Art juveniler Kraftprotzerei. Vertrauen zwischen Athen und den Gläubigern und Geldgebern sollte gerade wieder aufgebaut werden, da erweist sich Alexis Tsipras einmal mehr als unzuverlässig und unberechenbar.

Die Milliardenhilfen aber, die Athen immer dringender braucht, müssen von den europäischen Partnern kommen. Wladimir Putin hat - wie zu erwarten war - sehr deutlich gemacht, dass er nichts zu verschenken hat und die Verantwortung für den Pleitekandidaten Griechenland nicht übernehmen will. Sein Ausflug in den Moskauer Frühling hat dem griechischen Premier nichts gebracht außer dem kurzen Hochgefühl, als geehrter Gast im Kreml aufzutreten und sich für eine halbe Stunde lang wichtig zu fühlen. Frei nach Talleyrand muss das Fazit wohl heißen: Es ist schlimmer als ein Fehler, es ist eine Dummheit.